Abmahnung erhalten? Kostenlose Erstberatung unter 089 472 433

Wie sich aus einer aktuellen Pressemitteilung ergibt, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Übernahme von Ausschnitten eines Exklusivinterviews in der Fernsehsendung eines konkurrierenden Senders von dem Zitatrecht gedeckt sein kann (Urt. v. 17.12.2015 – I ZR 69/14 – Exklusivinterview).

Sachverhalt

Die Klägerin, der Fernsehsender Sat.1, führte mit der früheren Ehefrau des ehemaligen Fußballnationalspielers Lothar Matthäus, Liliane Matthäus, exklusiv gewährte Interviews, die am 26.07.2010 und 02.08.2010 in ihrer Sendung „STARS & Stories“ ausgestrahlt wurden. Die Beklagte, der Fernsehsender VOX, hatte sich zuvor vergeblich um eine Zustimmung zu der Nutzung der Interviews bemüht. Dennoch verwendete sie am 01. und 03.08.2010 verschiedene Ausschnitte aus den Interviews unter Angabe der Quelle in ihrer Sendung „Prominent!“. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer Rechte als Sendunternehmen und nahm die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz der Abmahnkosten in Anspruch. Weiterhin wurde die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt.

Das Landgericht (LG) Hamburg (Urt. v. 13.09.2011 – 310 O 480/11) sowie das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Urt. v. 27.02.2014 – 5 U 225/11) hatten als Vorinstanzen die geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen bejaht.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat angenommen, dass die Übernahme von Teilen der durch die Klägerin ausgestrahlten Interviews einen Eingriff in ihr Leistungsschutzrecht als Sendunternehmen aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG begründet. Dieser könne jedoch bei Eingreifen einer Schrankenregelung gerechtfertigt sein.

Die Schranke aus § 50 UrhG hinsichtlich der Berichterstattung über Tagesereignisse sei jedoch nicht einschlägig. Durch die Regelung soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in Fällen erleichtert werden, in denen die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers aus zeitlichen Gründen nicht möglich oder zumutbar ist. Im konkreten Fall war es der Beklagten aber möglich und zumutbar, die entsprechenden Rechte bei der Klägerin anzufragen. Weiterhin ist von § 50 UrhG keine Berichterstattung über die urheberrechtliche geschützte Leistung selbst, also im konkreten Fall die ausgestrahlten Interviews, gedeckt.

Hinsichtlich des Zitatrechts aus § 51 UrhG führt der BGH aus, dass entgegen der Ansicht des OLG Hamburg nicht erforderlich ist, dass sich der Verwender in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt. Ausreichend ist vielmehr, dass das übernommene Werk als Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Verwenders dient. Dies ist hier der Fall, da sich die Sendung der Beklagten mit der medialen Selbstinszenierung der damaligen Ehefrau von Lothar Matthäus befasste und die Ausschnitte aus dem Interview hierfür als Beleg dienten. Das OLG Hamburg hatte weiterhin angenommen, dass das Zitatrecht deshalb ausscheide, weil die Beklagte die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und der Klägerin damit die kommerzielle Auswertung des exklusiv gewährten Interviews erschwert habe. Nach Ansicht des BGH wird dies durch die in der Entscheidung getroffenen Feststellungen jedoch nicht getragen, da dieser nicht zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Gericht die von der Beklagten übernommenen Ausschnitte als den für die spätere Verwertung maßgeblichen Kern angesehen hat. Weiterhin fehlen Feststellungen dazu, warum die Fernsehzuschauer die Ausschnitte als Schlüsselszenen erkennen und daher auf die Wahrnehmung des vollständigen Interviews auf dem Sender der Klägerin verzichten könnten. Der BGH hat daher das Verfahren an das OLG Hamburg zurückverwiesen, um die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

Bewertung

Der BGH hatte bereits in der Vergangenheit die Übernahme von Ausschnitten aus einer Fernsehsendung durch einen anderen Sender zu entscheiden, dabei ging es um die Verwendung eines Interviews mit einer Passantin durch Stefan Raab in der Sendung „TV-Total“ (Urt. v. 20.12.2007 – I ZR 42/05 – TV-Total). Hier wurde die Schranke aus § 50 UrhG mangels tagesaktuellen Bezugs verneint. Auch § 51 UrhG war nicht einschlägig, da das Interview nur seiner selbst willen und wegen der damit verbundenen Komik präsentiert wurde, selbständige Ausführungen von Stefan Raab, für die das Interview als Belegstelle dienen könnte, erfolgten nicht.

Im aktuellen Fall hat der BGH hingegen angenommen, dass eine ausreichende Auseinandersetzung mit den übernommenen Ausschnitten vorliegt, sodass es vor dem OLG Hamburg nun entscheidend darauf ankommt, ob durch die Sendung die weitere Verwertung des Interviews durch die Klägerin unzumutbar beeinträchtigt wurde. Da es sich um ein Exklusivinterview handelt, dessen Wert gerade darin liegt, dass es nur bei einem einzigen Sender zu sehen ist, spricht alerdings vieles für das Vorliegen einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Verwertungschancen.


Diesen Artikel teilen: