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In der Causa Böhmermann liegt mit der Beschlussverfügung des LG Hamburg v. 17.05.2016 eine erste juristische Bewertung vor, der aber wohl noch eine jahrelange Fortsetzung des Rechtsstreites durch die Instanzen folgen wird. Das Landgericht Hamburg verbietet Böhmermann weite Teile seines Schmähgedichts als beleidigend.

Wie sich aus einer Pressemitteilung des Landgerichts (LG) Hamburg ergibt, hat das Gericht dem Fernsehmoderator Jan Böhmermann auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagt, große Teile seines Gedichts „Schmähkritik“ zu wiederholen (Beschl. v. 17.05.2016 – 324 O 255/16).

Sachverhalt

Böhmermann hatte am 31.03.2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht über den türkischen Präsidenten Erdoğan vorgetragen, das rassistische, religiöse und sexuelle Schmähungen enthielt. Einige Tage zuvor hatte die Türkei das Lied „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ des Satire-Magazins „extra 3“, in welchem die Politik Erdoğans kritisiert wurde, beanstandet und dessen Löschung verlangt. Vor und während des Gedichts hatte Böhmermann mehrmals darauf hingewiesen, dass ein solches Gedicht nicht mehr von der Satirefreiheit gedeckt sei.

Erdoğan stellte im April 2016 einen Strafantrag wegen Beleidigung (§ 185 StGB) bei der Staatsanwaltschaft Mainz. Daneben läuft auch noch ein Strafverfahren wegen der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten (§ 103 StGB).

In dem Verfahren vor dem LG Hamburg ging es um einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat eine Abwägung zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 3 GG) Böhmermanns und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs.1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) Erdoğans vorgenommen.

 Das Gedicht sei als Satire einzustufen, welche von Übertreibungen und Verzerrungen lebe. Weiterhin trage Erdoğan als türkisches Staatsoberhaupt politische Verantwortung, sodass auch harsche Kritik an seinen politischen Entscheidungen zulässig sei. Satire finde jedoch dort eine Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung oder eine Formalbeleidigung handle bzw. die Menschenwürde betroffen werde.

Nach Auffassung des Gerichts seien die Teile des Gedichts nicht mehr von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt, die rassistische, religiöse und sexuelle Schmähungen enthielten. Die wenigen Passagen, die sich mit aktuellen politischen Vorgängen in der Türkei auseinandersetzen, seien jedoch zulässig.

Bewertung

Da es sich bei der Einstweiligen Verfügung des LG Hamburg um eine Beschlussverfügung handelt, kann diese von Böhmermann zunächtst mit dem Widerspruch angegriffen werden. Das Landgericht muss dann mündlich verhandeln und ein Urteil fällen. Gegen dieses Urteil kann dann Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht eingelegt werden. Danach kann das gesamte Verfahren noch einmal in der Hauptsache bis zum Bundesgerichtshof (BGH) betrieben werden, gegen dessen Entscheidung dann noch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen werden kann. Dem Schmähgedicht steht also ein langer (und gewiss auch kostenintensiver und letztlich vom Gebührenzahler zu begleichender) Weg durch die Instanzen bevor.  Ob diese erste Entscheidung des LG Hamburg dann in letzter Instanz so gehalten wird, bleibt freilich abzuwarten.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte 1987 entschieden, dass im Falle der Darstellungen des sexuellen Verhaltens einer Person die Kunstfreiheit hinter dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zurücktreten müsse (Beschl. v. 03.07.1987 – 1 BvR 313/85). In dem Verfahren ging es um die Verurteilung eines Karikaturisten wegen Beleidigung aufgrund mehrerer Zeichnungen, die den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß als kopulierendes Schwein zeigten.

Ob auch im konkreten Fall von einer Beleidigung auszugehen ist, werden die Instanzen zu entscheiden haben und letztlich vielleicht auch wieder das Bundesverfassungsgericht.

Das Gedicht darf einerseits nicht isoliert bewertet werden, es muss im Gesamtkontext bewertet werden, in welchem es vorgetragen wurde. Mit dem Schmähgedicht reagierte Böhmermann auf die Forderung der Türkei zur Löschung des satirischen extra-3-Lieds und wollte anhand eines praktischen Beispiels die rechtlichen Grenzen der Satirefreiheit in Deutschland veranschaulichen. Die Schmähungen wurden dabei von Böhmermann bewusst eingesetzt, um einen Kontrast zu dem kritisierten Lied herzustellen. Dieser Aspekt könnte gegen eine bewußte Beleidung sprechen, ebenso wie die Tatsache, dass die Schmähungen im konkreten Fall klischeehaft und übertrieben sind. Die Äußerungen sind aber gewiß in ihrer Härte auch grenzwertig.

Die Entscheidung des LG Hamburg ist noch nicht rechtskräftig. Laut Medienberichten will Böhmermann die Entscheidung nicht akzeptieren, sein Anwalt kündigte an, damit notfalls bis vor das BVerfG ziehen zu wollen.

Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg ist bisher nicht die einzige gerichtliche Entscheidung im Zusammenhang mit dem Gedicht Böhmermanns.

So hatte das LG Köln einen Antrag Erdoğans auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlags Mathias Döpfner zurückgewiesen (Beschl. v. 10.05.2016 – 28 O 126/16). Döpfner hatte in einem offenen Brief in der Zeitung „Die Welt“ das Gedicht Böhmermanns als gelungen bezeichnet und sich diesem inhaltlich angeschlossen. Unabhängig von der Frage, ob das Gedicht selbst zulässig sei, seien die Äußerungen Döpfners nach dem LG Köln von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hatte das öffentliche Zeigen und Rezitieren des Gerichts im Rahmen einer Versammlung vor dem Grundstück der türkischen Botschaft in Berlin untersagt (Beschl. v. 14.04.2016 – VG 1 L 268.16). Auch hier war der Vortrag des Gedichts durch Böhmermann nicht Gegenstand des Verfahrens, die Verwendung durch die Teilnehmer der Versammlung sei jedoch als Beleidigung zu werten.


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