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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass im Falle einer Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Geldentschädigung dann nicht erforderlich ist, wenn es sich um keinen schweren Eingriff handelt und andere ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen (Urt. v. 17.03.2016, Az. 16313/10 – Kahn/Deutschland).

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer sind die Kinder von Oliver Kahn, dem früheren Torwart der deutschen Fußballnationalmannschaft. Zwischen Juli 2004 und Juni 2009 veröffentlichten die Magazine „Neue Woche“ und „Viel Spass“ des Burda-Verlags verschiedene Fotos, auf denen sie zusammen mit ihren Eltern abgebildet waren. Ihre Gesichter waren dabei nicht zu erkennen, sie konnten jedoch durch ihre Eltern und den begleitenden Text identifiziert werden.

Das Landgericht (LG) Hamburg verpflichtete den Burda-Verlag im Januar 2005 zukünftig jegliche Veröffentlichung von Fotos der Kinder zu unterlassen. Als dennoch weitere Bildveröffentlichungen erfolgten, wurde ein Ordnungsgeld festgesetzt, zunächst 5.000 €, dann 7.500 € und schließlich 15.000 €. Später sprach das LG Hamburg den Kindern eine Geldentschädigung i.H.v. jeweils 40.000 € wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu (Urt. v. 11.07.2008 – 324 O 1172/07 und 324 O 1173/07). Es handle sich um schwere Persönlichkeitsverletzungen, da alle veröffentlichten Fotos die Kinder erkennbar in einer besonders geschützten Eltern-Kind- bzw. Urlaubssituation zeigten. Weiterhin seien trotz des umfassenden Verbots weiterhin Fotos der Kinder veröffentlicht worden.

Die Entscheidungen wurden vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg aufgehoben (Urt. v. 04.11.2008 – 7 U 71/08 und 7 U 72/08). Der Anspruch auf Geldentschädigung sei subsidiär und daher nur dann zu gewähren, wenn die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden könne. Im konkreten Fall seien die Kinder jedoch durch die dem Verlag bei Verstoß gegen die pauschale Unterlassungsverpflichtung drohenden Ordnungsmittel ausreichend vor zukünftigen Verletzungen ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die gegen die Entscheidung eingelegte Revision der Kinder zurück (Beschl. v. 09.06.2009 – VI ZR 339/08 und VI ZR 340/08). Dies wurde neben der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs auch damit begründet, dass keine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung vorliege, da die Kinder auf den Fotos nicht erkennbar wären.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nahm die daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 23.09.2009 – 1 BvR 1681/09 und 1 BvR 1742/09).

Vor dem EGMR machen die Kinder nun eine Verletzung ihres Rechts auf Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK geltend. Deutschland habe seine diesbezügliche Schutzpflicht verletzt, da aufgrund der Versagung der Geldentschädigung durch die Gerichte kein ausreichender Schutz vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen gewährleistet sei.

 Entscheidung des Gerichts

Der EGMR hat festgestellt, dass für einen ausreichenden Schutz des Privat- und Familienlebens nicht unbedingt ein Geldentschädigungsanspruch erforderlich ist.

Im konkreten Fall sei diesem durch das Zwangsgeldverfahren ausreichend Rechnung getragen worden. Es handle sich um ein zügiges Verfahren, die Summen seien stufenweise erhöht worden und es habe zudem die Möglichkeit bestanden, gegen die vom Gericht festgesetzte Höhe vorzugehen, was jedoch nicht geschehen sei. Weiterhin sei die Rechtsverletzung auch nicht als schwerwiegend einzustufen, da die Kinder auf den Fotos nicht zu erkennen wären.

Bewertung

 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Anspruch auf Geldentschädigung bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann gegeben, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (zuletzt etwa Urt. v. 21.04.2015 – VI ZR 245/14).

Diese Rechtsprechung hat der EGMR für den konkreten Fall der Kinder von Oliver Kahn bestätigt. Ob die vorliegende Entscheidung jedoch über diesen Einzelfall hinaus Bedeutung hat, ist fraglich. So hat der EGMR seine Argumentation im Wesentlichen auf das Bestehen eines pauschalen Veröffentlichungsverbots und die daraus resultierenden Ordnungsmittel gestützt. Der BGH hat jedoch mittlerweile entschieden, dass ein solcher pauschaler Unterlassungsanspruch, der jegliche Veröffentlichung von Fotos eines Minderjährigen bis zu dessen Volljährigkeit verbietet, nicht zulässig ist. Es muss vielmehr für jeden Einzelfall unter Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre geprüft werden, ob eine Persönlichkeitsverletzung tatsächlich vorliegt (Urt. v. 06.10.2009 – VI ZR 314/08). Die Verhängung eines Zwangsgeldes für die Erstveröffentlichung eines Fotos ist daher i.d.R. nicht mehr möglich, was auch im Rahmen der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs zu berücksichtigen ist und möglicherweise zu einer anderen Entscheidung führen würde.

Die Entscheidung des EGMR ist noch nicht rechtskräftig, die Beschwerdeführer können nach Art. 43 EMRK innerhalb von drei Monaten die Verweisung an die Große Kammer des EGMR beantragen.


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