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Hitlers „Mein Kampf“ in der Diskussion: Die Urheberrechte laufen ab. Neuausgaben strafbar

I. Auslaufen der Urheberrechte an „Mein Kampf“

Die Urheberrechte an Adolf Hitlers Buch „Mein Kampf“ werden in wenigen Tagen zum 31.12.2015 auslaufen. Das hat in der Öffentlichkeit und in der Politik eine breite Diskussion darüber entfacht, wie künftig mit dem problematischen historischen Erbe umzugehen sein wird. Seit 2012 arbeitet das Münchner Institut für Zeitgeschichte an einer kritischen kommentierten Ausgabe des Buches, die pünktlich Anfang Januar 2016 erscheinen soll, aber zunächst auch nicht unumstritten war. Der Freistaat Bayern hatte als Inhaber der Urheberrechte nach anfänglicher Unterstützung des Projektes nach Pressemeldungen später die Mittel gesperrt, sich der geplanten Veröffentlichung aber dann nicht mehr widersetzt. Der Deutsche Lehrerverband fordert gar, das Buch als Pflichtlektüre an den Schulen einzuführen, ein Vorhaben, das viele wohl zu Recht kritisieren.

Bis dato hatte der Freistaat Bayern, als Erbe und Inhaber der Urheberrechte Hitlers, seine Rechtsposition als Verbotsrecht im klassischen Sinne dazu genutzt, den Nachdruck des „Problem-Buches“ zu verhindern. Das Verbot hatte allerdings noch nie den Antiquariatshandel des Buches unterbunden und schon gar nicht zahllose fremdsprachige Ausgaben, die beinahe überall in der Welt erworben werden können. Zudem ist der Text auch heute schon auf zahllosen Websites zum Download frei verfügbar. Die Süddeutsche Zeitung schätzt, dass die Downloadzahlen in die Hunderttausende gehen. arte hat eigens eine Doku „Das gefährliche Buch“ über Hitlers Manifest produziert, die am 14. Dezember 2015 zu sehen war, von der Süddeutschen Zeitung allerdings als unglückliche Mischung „von konventionellem Histo-Grusel“ kritisiert wurde. Der Bayerische Rundfunk sendet am 16.1.2016 einen Themenabend auf ARD Alpha. Am 28.12.2015 berichtet das ZDF Heute Journal hierzu in einen Beitrag mit einem Kurzstatement von Dr. Bernhard Knies.

Rechtlich betrachtet ist Tatsache: Nach § 64 UrhG erlischt das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Autors, wobei § 69 UrhG als maßgeblichen Zeitpunkt den Ablauf des Todesjahres bestimmt. Somit enden die Urheberrechte an „Mein Kampf“ am 31.12.2015. Das Werk wird also ab dem 1.1.2016 „gemeinfrei“.

Ab dem 01.01.2016 kann damit der Vorgang des Drucks und Vertriebs des Buches nicht mehr mit den urheberrechtlichen Verbotsrechten verhindert werden. Dass die Welt dann eine andere sein wird, mag man allerdings bezweifeln.

II. Strafrechtliche Ahndung des Drucks

Denn der Nachdruck des Buches soll nach dem Willen der Justizminister der Bundesländer, die sich nach einem Bericht des Spiegel hierzu schon 2014 eigens zu einer Konferenz trafen, weiterhin verboten bleiben und mit strafrechtlichen Mitteln geahndet werden. Ein Sondergesetz sah man auf der Konferenz als überflüssig an, der bestehende Rechtsrahmen sei ausreichend. Schon 2013 hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann angekündigt, unkommentierte Nachdrucke von Hitlers „Mein Kampf“ dem Staatsanwalt vorlegen zu lassen. In der Tat verbietet der Straftatbestand der Volksverhetzung in § 130 Abs. 2 StGB auch die Verbreitung von Schriften, die zum Hass gegen bestimmte Teile der Bevölkerung aufstacheln.

Die Verbreitung einer unkommentierten Neuauflage von „Mein Kampf“ dürfte also aller Voraussicht nach strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, denn auch wenn das Buch viele nie wirklich gelesen haben, so enthält es (neben eher harmlosen Passagen über Hitlers schwierige Jugend, die Münchner Jahre und den Entschluss Politiker zu werden) – beispielsweise auch ein Kapitel  „Der Werdegang des Judentums“, in dem der ideologische Nährboden für das spätere grausame Geschehen bereitet wird und Juden als „Parasiten“ und „Meister des Lügens“ verunglimpft werden.

Derartige Passagen – und damit eben das Buch als ganzes – würden aber wohl mit hoher Sicherheit auch gerichtlich als solche bewertet, die gegen jüdische Mitbürger zum Hass aufstacheln im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB.  So sahen es jedenfalls nach damaliger Bewertung 2013 auch der bayerische Innenministers Joachim Herrmann und die damalige Bundes-Justizministerin Beate Merk.

Praktisch betrachtet hat die strafrechtliche Ahnung allerdings gegenüber den auslaufenden urheberrechtlichen Verbotsrechten den Nachteil, dass sie wesentlich langsamer ist als die zivilrechtliche Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche. Denn im Urheberrecht kann jeglicher Druck und die Verbreitung per Einstweiliger Verfügung innerhalb weniger Tage gestoppt werden, während die Strafanzeige mit dem sich anschließenden Strafverfahren lange dauern kann.

III. Zitate als Ausnahme:

Das urheberrechtliche Zitatrecht hatte in den vergangenen Jahren schon einmal für eine spannende juristische Diskussion um Hitlers „Mein Kampf“ geführt: Der englische Verleger Peter McGuee hatte über den Zeitungszeugen Verlag schon 2012 versucht, eine durch das Zitatrecht getragene kommentierte Auflage zu veröffentlichen, gegen die der Freistaat Bayern aber per Einstweiliger Verfügung vor dem Landgericht München I erfolgreich vorgegangen war. Das Landgericht München hat diese Einstweilige Verfügung mit Urteil vom 8.3.2012, Az. 7 O 1533/12 (GRUR RR 2012, 246 ff). bestätigt und geurteilt, dass die damalige Veröffentlichung jedenfalls nicht durch das urheberrechtliche Zitatrecht gedeckt war.

Während der Dauer des Urheberrechts dürfen Passagen des Werkes als Zitate nach § 51 UrhG zitiert werden. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings relativ eng.

Das Landgericht München I hatte zu der damaligen Veröffentlichung jedenfalls festgestellt:

 „Die Anfertigung einer gekürzten, kommentierten und erläuterten Ausgabe begründet kein Nutzungsrecht am Originaltext.“ (siehe LG München I).

Die Voraussetzungen, um rechtmäßig zu zitieren, sind nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) allerdings streng.

Das Gesetz unterscheidet zwischen dem „wissenschaftlichen Großzitat“, § 51 S. 2 Nr. 1 UrhG und dem Kleinzitat § 51 S. 2 Nr. 2 UrhG.,

1. Quellenangabe und selbständiges Werk

Erste Voraussetzung ist zunächst in beiden Fällen, dass das zitierende Werk die Quelle nennt (§ 63 UrhG, hieran fehlte es etwa im Falle Guttenberg) und zweitens, dass die Publikation, in der zitiert wird, ihrerseits ein selbständiges Werk darstellt. Das Landgericht München sprach in diesem Zusammenhang von einer „dienenden Funktion“ des Zitatzwecks, die eben gerade nicht die eigenständige Nutzung erlaube, auf die es dem damaligen Verleger aus Sicht des LG München ankam:

 „Eine absolute Grenze des zulässigen Zitatzwecks ist dort überschritten, wo die oben abgesteckten Rollen von aufnehmendem und aufgenommenen Werk vertauscht werden, wo also nicht das zitierte Werk dem neuen Werk dient, sondern das neue Werk lediglich als Rahmen für eine Nutzung des aufgenommenen Werkes dient.“ (LG München I, a.a.O.).

2. Voraussetzung für das wissenschaftliche Großzitat

Will man sich auf das „günstigere“ wissenschaftliche Großzitat berufen, so muss man einerseits das zitierte Werk „erläutern“ und zum zweiten dies im Rahmen eines „wissenschaftlichen Werkes“ tun. Die Kommentarliteratur und die Rechtsprechung lassen hier aber einen großzügigen Maßstab walten. Es reichen auch populärwissenschaftliche Werke (etwa ein illustriertes Kunstbuch über den Blauen Reiter und die Neue Künstlervereinigung München, vgl. BGHZ 50, 147, 156; Schricker/Spindler, UrhG, 4. Auflage § 51, Rz. 33, m.w.N.).

3. Umfang des Zitats

Zuletzt kann man noch über den Umfang des Zitats streiten. § 51 S. 2 Nr. 1 UrhG erlaubt grundsätzlich auch das Zitat „ganzer Werke“ (vgl. Schricker/Spindler, UrhG, 4. Auflage § 51, Rz. 37, m.w.N.), wobei es sich nicht notwendig um Werke geringen Umfangs handeln muss. Umfangmäßige Grenzen ergeben sich aber grundsätzlich aus dem Zitatzweck und aus der Regel, dass die Verwertung des zitierten Werkes nicht unzumutbar behindert werden darf. Setzt sich das zitierende Werk also lediglich mit Teilen auseinander, so dürfen auch nur diese Teile zitiert werden (vgl. Schricker/Spindler, UrhG, 4. Auflage § 51, Rz. 37, m.w.N.).

An diesen strengen juristischen Maßstäben scheiterte 2012 die damals geplante kommentierte Neuausgabe von „Mein Kampf“. Auf die für 2016 angekündigte wissenschaftliche Neuedition darf man gespannt sein.

IV. Rückblick:

Nach dem bevorstehenden Auslaufen des Urheberrechts an „Mein Kampf“ ist die Frage, wie der Freistaat Bayern eigentlich an die Rechte von „Mein Kampf“ kam, heute eher nur noch von historischem Interesse, wenngleich sehr spannend:

1. Inhaber der Urheberrechte

Denn schon die Frage, wer eigentlich in den vergangenen Jahren Inhaber der Urheberrechte an „Mein Kampf“ war, hatte in der Vergangenheit zumindest Zweifel aufgeworfen:

Inhaber der Urheberrechte ist grundsätzlich nach § 7 UrhG zunächst der Autor und Schöpfer eines Werkes, hier also Adolf Hitler, der das im Juli 1925 erschienene Werk 1924 in der Haft in der Festung Landsberg schrieb, wenn man einmal von den Gerüchten absieht, dass angeblich Rudolf Hess bei der Schrift mitgeholfen haben soll.

Mit dem Tod des Urhebers gehen auch die Urheberrechte komplett auf die Erben über, § 28 UrhG. Im Falle Hitlers war zunächst schon der Todeszeitpunkt und später auch die Erbfolge äußerst strittig: Ursprüngliche Zweifel am Zeitpunkt und der Tatsache des Todes Hitlers sind heute obsolet. Ein Beschluss des Amtsgerichts Berchtesgaden vom 25. Oktober 1956 (Az II 48/52) erklärte Hitler jedenfalls amtlich für verstorben. Der Todeszeitpunkt wurde auf den 30. April 1945 15.30 festgelegt. Am 11. Januar 1957 wurde dies im Braunauer Taufbuch vom Stadtpfarrer Johann Ludwig so niedergelegt.

Die Erben werden durch Testament oder durch gesetzliche Erbfolge bestimmt. Sofern kein Testament vorhanden ist (oder ein solches unwirksam ist), wurde im Falle von Hitlers Erbe insbesondere das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten juristisch bedeutsam.

Hitler hatte in seinem (auch im Internet abrufbaren) Testament von 1945 die NSDAP als Vorerbin bestimmt. Im Falle der Auflösung der Partei hat Hitler den Staat als deren Nacherbe eingesetzt. Die NSDAP konnte ihr Erbe wegen ihrer Auflösung nicht mehr antreten. Sofern das Testament also wirksam war, fiel das Erbe Hitlers dem Staat anheim.

Für den Fall, dass man das Testament als unwirksam erachtete, war jedenfalls die Tatsache, dass Hitler kurz vor seinem Tode Eva Braun heiratete, von Bedeutung. Hier war die entscheidende erbrechtliche Frage diejenige, wer von den beiden Ehegatten zuerst verstorben war: Denn wenn Hitler vor Eva Braun gestorben wäre, und sei es auch nur für die berühmte juristische Sekunde, dann hätte die Familie von Eva Braun Anspruch auf das Erbe darunter eben auch die Urheberrechte.

Die Familie von Eva Braun hat diese Erbansprüche geltend gemacht, insbesondere auf Hitlers Privathaus am Prinzregentenplatz. Allerdings erging eine Entscheidung des Amtsgerichts Berchtesgaden, dass Eva Braun zwei Minuten vor ihrem Mann verstorben sei und damit nicht dessen Erbe werden konnte. Über diese Erbfrage wurde drei Jahre lang gestritten (vgl. Wikipedia zu „Paula Hitler“).

Am 17.2.1960 stellte das Amtsgericht München unter dem Az. 2994/48 einen Erbschein für die Schwester Paula Hitler aus (vgl. Wulf Schwarzwäller, Hitlers Geld, 1998, S. 225, und Wikipedia zu „Paula Hitler“). Diese sollte zwei Drittel des Nachlasses erben. Je ein Sechstel sollte an die Halbgeschwister Alois Hitler und Angela Hamitzsch (verwitwete Raubal, geborene Hitler) fallen.

Die Haupterbin Paula Hitler starb allerdings am 1. Juni 1960 im Alter von 64 Jahren ohne ihr Erbe angetreten zu haben. Als Verwalter des Erbes wurde der Freistaat Bayern zuständig, da Hitler dort mit Wohnsitz gemeldet war. Der Freistaat Bayern macht seitdem geltend, Inhaber der Urheberrechte an Hitlers „Mein Kampf“ mit Ausnahme des Gebiets der USA zu sein (vgl. Wikipedia zu „Paula Hitler“ mit Verweis auf Wolfgang Zdral, „Die Hitlers, Die unbekannte Familie des Führers“, 2008, S. 236, der auf ein Schreiben des Bayerischen Finanzministeriums verweist). Als weitere Legitimationsgrundlage konnte sich der Freistaat Bayern hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft auch darauf berufen, dass nach einem Urteil des Landgerichts München I vom 15. Oktober 1958 das gesamte Erbe Hitlers an den Bayerischen Staat übergegangen ist (Az. I-3568/48). Dieses Urteil steht allerdings im Widerspruch zu den hier zitierten späteren Erbscheinserteilungen bayerischer Gerichte.

Am 25. Oktober 1960 entschied das Amtsgericht Berchtesgaden (Az. VI, 108/60), dass die Erben der am 1.6.1960 in Schönau verstorbenen Paula Hitler, Elfriede Hochegger, geborene Raubal, (verstorben 1993) und Leo Raubal (verstorben 1977) je zur Hälfte seien (vgl. Wulf Schwarzwäller, Hitlers Geld, 1998, S. 226). Diese Erben haben aber offenbar nicht um die Rechte an „Mein Kampf“ mit dem Freistaat Bayern prozessiert (vgl. Wikipedia zu Paula Hitler).

Fasst man die (unübersichtliche) Rechtslage zusammen, so kann man feststellen, dass zumindest Zweifel an der Rechtsinhaberschaft des Freistaates Bayern bestehen konnten, die aber durch die Rechtswirklichkeit bald überholt wurden.

 


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