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OLG Köln – Verbot der Veröffentlichung von vertraulichen Unterlagen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr im Internet

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Köln (Urt. v. 12.06.2015 – 6 U 5/15 – Afghanistan-Papiere) sind vertrauliche Unterlagen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht im Internet veröffentlicht werden.

Im November 2012 stellte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Unterlagen des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan aus dem Zeitraum zwischen 2005 und 2012 im Internet zum Abruf bereit. Die Dokumente waren vom BMVg zur Unterrichtung des Parlaments erstellt worden und nach § 4 Abs. 2 SÜG als „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft, wobei es sich um die niedrigste von vier Geheimhaltungsstufen handelt. Die Dokumente waren der WAZ zugespielt worden, zuvor hatte sie erfolglos eine Einsichtnahme unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragt, was jedoch aufgrund der Sicherheitsrelevanz der Unterlagen nach § 3 Nr. 1 b IFG abgelehnt worden war.

Das Landgericht (LG) Köln (Urt. v. 02.10.2014 – 14 O 333/13) hatte als Vorinstanz die WAZ zur Unterlassung verurteilt, was das OLG Köln nun bestätigt hat.

Bei den in Frage stehenden Texten handle es sich um urheberrechtlich geschützte Werke in Form eines Sprachwerks (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Die dafür erforderlich Individualität liege vor, so dass zumindest eine identische Übernahme unzulässig sei. Auch wenn die Dokumente in großen Teilen die Darstellung von Tatsachen hinsichtlich der politischen und militärischen Lage der Einsatzorte der Bundeswehr enthielten, fänden sich dennoch auch persönliche Einschätzungen, wie etwa zur Bedrohungslage oder der Rolle bestimmter Personen. Weiterhin ergebe sich die Individualität auch aus der systematischen Auswahl und der teilweise verkürzenden Aufbereitung der Informationen sowie der jeweiligen Darstellungsform. Zusätzlich handle es sich um relativ lange Texte, bei denen umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Tätigkeit erkannt werden könne.

Die Veröffentlichung im Internet verstoße gegen das dem BMVg als Rechtsinhaber zustehende Veröffentlichungsrecht aus § 12 UrhG, das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG sowie das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19a UrhG.

Bei den Unterlagen handle es sich auch nicht um amtliche Werke i.S.d. § 5 UrhG. Weiterhin liege auch keine Berichterstattung über Tagesereignisse i.S.d. § 50 UrhG oder ein zulässiges Zitat i.S.d. § 51 UrhG vor. Auch unter Berücksichtigung der Presse- und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ergebe sich kein anderes Ergebnis, da das Verwertungs- und Geheimhaltungsinteresse des BMVg überwiege.

Nach einer Pressemitteilung der FUNKE MEDIENGRUPPE, zu der die WAZ gehört, wurden die Dokumente nach Androhung der Zwangsvollstreckung aus dem Internet genommen. Man gehe aber weiterhin davon aus, dass die Veröffentlichung zulässig sei, „die Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, was die Bundeswehr in ihrem Namen unternimmt“, so Thomas Kloß, Chefredakteur Online und Content Desk von FUNKE in Nordrhein-Westfalen. Aus diesem Grund werde auch die beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde aufrechterhalten, das Urteil des OLG Köln ist daher noch nicht rechtskräftig.

Betrachtet man lediglich die Anwendung des Gesetzes, so hat das OLG Köln korrekt entschieden.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 10.10.1991 – I ZR 147/89 – Bedienungsanweisung) ist für den urheberrechtlichen Schutz von Texten, die Gebrauchszwecken dienen, ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials erforderlich. Davon wird man bei den konkreten Unterlagen wohl ausgehen können. Zudem ist zu beachten, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) von einem einheitlichen Werkbegriff für alle Werkarten ausgeht, bei dem lediglich geringe Anforderungen an die Individualität gefordert werden. So kann etwa nach dem EuGH (Urt. v. 16.07.2009 – C-5/08 – Infopaq International/Danske Dagblades Forening) bereits ein aus elf Worten bestehender Text schutzfähig sein.

Auch die Schrankenregelungen aus § 50 UrhG, welche die Berichterstattung über Tagesereignisse erlaubt, ist nicht einschlägig, da hier die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte nur in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig ist. Ähnliches gilt auch für die Schranke aus § 51 UrhG für Zitate, bei der der Umfang der Nutzung durch den besonderen Zweck gerechtfertigt sein muss. Eine vollständige Veröffentlichung der Dokumente war auch unter der Berücksichtigung des durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Informationsinteresses der Allgemeinheit nicht erforderlich, ausreichend wäre etwa das auszugsweise Zitieren der Dokumente, etwa im Rahmen einer journalistischen Auseinandersetzung, gewesen.

Dennoch ist es unbefriedigend, wenn das Urheberrecht dazu verwendet wird, die unerwünschte Veröffentlichung von vertraulichen staatlichen Unterlagen zu unterbinden. Für diese Zwecke sind vielmehr die strafrechtlichen Regelungen des Landesverrats (§ 94 StGB) oder des Offenbarens von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB) vorgesehen und auch geeigneter.


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