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Das Hamburgische OVG (Bs. v. 29.06.2016, Az. 5 Bs 40/16) weist die Beschwerde der Freien Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, zurück und folgt damit dem Verwaltungsgericht Hamburg (Bs. v. 03.03.2016, Az. 15 E 4482/15), das mit seiner Entscheidung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin (Facebook Ireland Limited) gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung des Bescheides des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wiederherstellte.

Facebook muss die Nutzung seiner Dienste vorerst also nicht pseudonym ermöglichen.

Sachverhalt

In dem Verfahren war es darum gegangen, ob man Anspruch darauf hat, sein eigenes Facebook Konto nicht unter seinem echten Klarnamen sondern mit einem Pseudonym nutzen kann.

Eine in Deutschland wohnende Rechtsanwältin nutzte als Nutzername für ihr Facebook-Konto ein Pseudonym. Als das bei Facebook bekannt wurde, sperrte ihr Facebook Ireland Limited, die in Europa für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Facebook Nutzer zuständig ist, den Facebook Zugang und forderte sie gleichzeitig auf, ihre Identität nachzuweisen. Die Anwältin übersandte daraufhin zwar verschiedene Dokumente, aus denen sich ihr richtiger Name ergab, wandte sich aber auch an den Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Hamburg, der grundsätzlich für die Belange der deutschen Niederlassung von Facebook, der Facebook Germany GmbH zuständig ist und bestand darauf, dass sie den Zugang auch weiterhin unter einem Pseudonym verwenden könne, da sie diesen zu privaten Zwecken gebrauche und nicht von Mandanten angeschrieben werden wolle.

Diese Stellungnahme wurde an Facebook Ireland Limited weitergeleitet. Facebook verwies daraufhin auf die Nutzungsbedingungen des Dienstes, in denen die Verwendung des wahren Namens der Nutzer vorausgesetzt wird und machte auch deutlich, dass diese „Real name policy“ mit dem irischen Datenschutzrecht vereinbar sei. Eine Freischaltung des Kontos würde nur erfolgen, wenn die Nutzerin in die Verwendung ihres Vor- und Nachnamens einwilligen würde, so Facebook. Eine solche Einwilligung gab die Rechtsanwältin gerade nicht ab.

Daraufhin erging eine Anordnung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, in der Facebook gemäß § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG dazu verpflichtet wurde, die Umbenennung des Nutzernamens in den vollen Klarnamen der Nutzerin unverzüglich zurückzunehmen und der Nutzerin den Zugang zu ihrem Konto und die vollumfängliche Nutzung des Dienstes Facebook unter ihrem Pseudonym zu ermöglichen habe. Die Anordnung wurde auf § 13 Abs. 6 TMG gestützt, aus dem sich – nach Ansicht des Datenschutzbeauftragten – ein Anspruch auf pseudonyme Nutzung von Facebook ergebe. Weiterhin wurde eine sofortige Vollziehung dieser Anordnung mit der Begründung angeordnet, in der Untersagung der pseudonymen Nutzung liege eine anhaltende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung.

Gegen diese Anordnung erhob die Facebook Ireland Limited Widerspruch und beantrage als Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim VG Hamburg (Bs. v. 03.03.2016, Az. 15 E 4482/15). Das VG Hamburg gab dem Ersuchen auf einstweiligen Rechtsschutz statt und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her, will heißen, das VG Hamburg gab Facebook Recht.

Begründet wurde diese Entscheidung insbesondere damit, dass deutsches Datenschutzrecht aufgrund des datenschutzrechtlichen Kollisionsrechts gemäß § 1 Abs. 5 BDSG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a S. 2 der RL 95/46/EG (EU-Datenschutzrichtlinie) nicht anwendbar sei und somit § 13 Abs. 6 TMG nicht als Rechtsgrundlage dienen könne. Gemäß EU-Datenschutzrichtlinie könnten nur dann unterschiedliche rechtliche Maßstäbe für identische Datenverarbeitungsvorgänge gelten, wenn anzunehmen ist, dass datenverarbeitende Niederlassungen in mehreren Mitgliedsstaaten angesiedelt sind. In vorliegendem Fall aber ist für die streitige Datenverarbeitung die Antragstellerin (Facebook Ireland Limited) in Europa zuständig. Die Niederlassung Facebook Germany GmbH mit Sitz in Hamburg ist jedoch ausschließlich für das Angebot von Anzeigenakquise und Marketing zuständig.

Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin, die Freie Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, Beschwerde beim Hamburgischen OVG (Oberveraltungsgericht) ein. Das OVG folgte in seiner Entscheidung jedoch dem VG Hamburg:

Entscheidung des Hamburgischen OVG im EInzelnen

Die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 lit. a S. 2 der RL 95/46/EG durch das VG Hamburg finde im Wortlaut der Norm nach Ansicht des OVG gerade keine Stütze.

Dennoch beanstandet das OVG die Entscheidung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Anordnung wiederherzustellen, nicht, da das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Anordnung gegenüber dem Vollzuginteresse der Facebook-Nutzerin überwiege.

Zwar sei offen, ob der Widerspruch der Antragstellerin Facebook Aussicht auf Erfolg habe, aber nach gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung des EuGH sei ungeklärt, ob die Antragsgegnerin, die Freie Hansestadt Hamburg, gegen die in Irland ansässige Antragstellerin mit hoheitlichen Mitteln vorgehen dürfe um die Nutzung von Facebook unter einem Pseudonym durchzusetzen.

Weder, so das OVG Hamburg weiter, sei geklärt, wie es sich mit der Zuständigkeitsverteilung zwischen Datenschutzkontrollbehörden verhält, wenn der Mutterkonzern auf EU-Gebiet mehrere Niederlassungen unterhält, noch sei geklärt, ob, selbst wenn aufgrund der Zuständigkeitsverteilung die Antragsgegnerin tätig werden dürfe, sie eine Eingriffsbefugnis gegenüber der Antragstellerin hätte.

Nach Ansicht des OVG dürfe das BVerwG auf Grund europarechtlicher Rechtsprechung nur eine datenschutzrechtliche Anordnung der Landesbehörde gegenüber der Facebook Germany GmbH in Betracht ziehen (EuGH, Urteil v. 01.10.2015, Az. C-230/14 – Weltimmo), nicht jedoch gegenüber der Facebook Ireland Limited.

Da bereits Zweifel darüber bestünden, ob die Antragsgegnerin überhaupt durch einen belastenden Verwaltungsakt gegenüber Facebook Ireland Limited hätte tätig werden dürfen, sei im Ergebnis ein Überwiegen des Interesses der Nutzerin an dem Vollzug der Anordnung abzulehnen.

Ein Sofortvollzug bei einer unklaren Rechtlage wie hier, komme immer nur dann in Betracht, wenn elementare Rechtsgüter betroffen sind. Da vorliegend aber weder Leben noch Gesundheit auf dem Spiel stünden, ist davon nach Ansicht des OVG Hamburg auch nicht auszugehen.

Das OVG führt zuletzt aus, dass sich die Nutzerin vor dem Eingriff in ihr Recht auf informelle Selbstbestimmung durch die Löschung ihres Facebook-Zugangs selbst schützen könne.


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