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Die 14. Zivilkammer des LG Köln hat in ihrem Urteil zu den von Dr. Heribert Schwan veröffentlichten „Kohl-Protokollen“ zugunsten des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl gegen seinem ehemaligen Ghostwriter und dessen Verlag geurteilt.

1. Sachverhalt

Schwan hatte die von Kohl nicht autorisierten „Kohl-Protokolle“ gemeinsam mit seinem Co-Autor Tilman Jens im Heyne Verlag veröffentlicht und dabei insbesondere auf den Inhalt von etwa 630 Stunden Tonbandaufzeichnungen zurück gegriffen, die er gemeinsam mit dem Altbundeskanzler in den Jahren 2001 und 2002 mit dessen Einverständnis aufgenommen hatte. Nach dem Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen Kohl und Schwan hatte Kohl zunächst erfolgreich auf Herausgabe der Bänder geklagt und dann versucht, Schwan mittels Einstweiliger Verfügung davon abzuhalten, den Inhalt der Bänder, den Schwan zuvor abgetippt hatte, ohne Genehmigung von Kohl zu veröffentlichen. In der Tat produzierte die ungenehmigte Veröffentlichung des Buches „Vermächtnis: Die Kohl Protokolle“ durch Schwan Negativschlagzeilen über den Altbundeskanzler, da Schwan insbesondere Passagen der Tonbänder veröffentlichte, in denen sich Kohl despektierlich gegenüber damaligen Politikern äußerte.

Kohl hatte bei der Pressekammer des Landgerichts Köln zunächst per Antrag auf Einstweilige Verfügung beantragt, Schwan ganz generell die Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen in dem Buch zu untersagen und war damit gescheitert (Beschlüsse der 24. Zivilkammer des LG Köln vom 07.10.2014, Az. 28 O 433/14 und 28 O 434/14). Nach Hinweisen des OLG Köln in der Berufung, dass die Anträge zu umfangreich gestellt worden waren, hat Kohl die Anträge durch seine Bevollmächtigten zurück nehmen lassen und „schlankere“ Verfügungen beantragt, die 115 konkret bezeichnete Textpassagen aus dem Buch angriffen, in denen Kohl überwiegend wörtlich aus den Protokollen zitiert worden war. Die Verfügungsanträge richteten sich gegen Schwan und seinen Coautor Tilman Jens, sowie gegen den Verlag Randomhouse, in dessen Subverlag Heyne das Buch erschienen war.

Das Landgericht Köln hat den Verfügungsanträgen sowohl gegen Schwan, als auch gegen seinen Coautor und den Verlag überwiegend Recht gegeben.

2. Die Ansprüche gegen Schwan:

Schwan und Kohl hatten in Vorbereitung des Buches mit Kohls Verlag jeweils eigene Verlagsverträge abgeschlossen, in denen klargestellt wurde, dass Schwan nur als „Ghostwriter“ Kohls fungiert und dieser letztlich als Autor die Sachherrschaft über den Inhalt und Veröffentlichung des Werkes haben sollte. Schwan wurde vom Verlag für seine Arbeit vertraglich entlohnt und hatte zudem eine Geheimhaltungsklausel unterschrieben. Die beiden Verlagsverträge regelten zudem, dass Kohl und Schwan ihre Zusammenarbeit direkt besprechen sollten.

Zwischen Kohl und Schwan gab es allerdings nie eine eigene schriftliche Vereinbarung insbesondere nicht darüber, wem die von Schwan aufgezeichneten Tonbänder zustehen sollten und was etwa im Falles eines Streites damit geschehen sollte.

Zu den physischen Tonbändern hatte das Landgericht Köln Schwan bereits mit Urteil vom 12.12.2013 (Az. 14 O 612/12) zur Herausgabe verurteilt und dabei die Erstellung der Bänder durch Schwan als vertragliches Auftragsverhältnis nach § 662 BGB beurteilt, aufgrund dessen Kohl Anspruch auf die Bänder habe. Das OLG Köln hat die Berufung Schwans gegen dieses Urteil mit Urteil vom 08.08.2014 zurück gewiesen (Az. 6 U 20/14) und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, wo das Verfahren nunmehr anhängig ist (Az. V ZR 206/14).

Auch in Bezug auf das „geistige Eigentum“, also den Inhalt der Tonaufnahmen vertritt das Landgericht Köln konsequent die Auffassung, dass es ebenso wie für die Herstellung der Bänder auch in Bezug auf deren Nutzung eine mündliche vertragliche Vereinbarung zwischen Kohl und seinem Ghostwriter gab, dahingehend, dass Äusserungen des Altbundeskanzlers, die auf den Tonbändern fixiert waren, nicht ohne dessen Zustimmung veröffentlicht werden durften. Daraus folgert das Landgericht zutreffend eine vertragliche Verschwiegenheitsabrede. Diesem rechtlichen Schluss wird man zustimmen müssen, denn die beiden gesonderten Verlagsverträge enthielten ja in der Tat beide einen Passus, dass Kohl und Schwan die Details ihrer Zusammenarbeit gesondert regeln sollten. Schwan durfte also richtigerweise nicht davon ausgehen, wie ein „normaler Journalist“ ein Interview mit Kohl zu führen, über dessen Inhalt und Verwertung er dann hätte selber bestimmen dürfen, sondern er war durch den Verlagsvertrag auf eine „dienende Rolle“ verwiesen. Dem wird das Urteil des LG Köln gerecht, indem es konsequent Kohl die Sachherrschaft über die Inhalte der Tonbänder zuspricht.

Kohl hat somit vertraglichen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung von solchen Statements Kohls auf den Tonbändern, die nicht bereits vorbekannt waren oder hinsichtlich derer Kohl Schwan von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung befreit hätte. Dieser zentrale Punkt betrifft somit alle wörtlichen Zitate von Kohl in Schwans Buch, die künftig unterbleiben müssen.

Auch hinsichtlich vorbekannter Umstände, also öffentlich zugänglicher Informationen, nimmt das LG Köln jedenfalls dann zugunsten Kohls eine ergänzende Verschwiegenheitsverpflichtung Schwans an, wenn und soweit Schwan in seinem Text die Reaktionen Kohls auf den Tonbandprotokollen zu bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignissen beschreibt, also Wut und Zorn, Stimmungsschwankungen und Kohls Kommentar, Tonfall und Ausdrucksweise dazu.

Fragen, die allerdings Schwan an Kohl stellte, sollen nach dem Kölner Urteil nicht von der Verschwiegenheitsabrede umfasst sein, da Sinn und Zweck der Abrede die Materialsammlung für die Memoiren des Kanzlers gewesen sei, nicht aber die Fragestellungen von Schwan an Kohl. In diesem Punkt vermag das Urteil wohl nicht zu überzeugen, denn richtigerweise müsste man hier wohl von einer umfassenden Schweigepflicht ausgehen.

Schwan selber hatte sich über seine Anwälte auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen, das ihm die Veröffentlichung der Protokolle in jedem Falle gestatte. Zutreffend weist das Landgericht Köln allerdings darauf hin, dass die grundgesetzliche Meinungsfreiheit keine Verletzung von Pflichten gestattet, die vertraglich übernommen wurden. „Pacta sunt servanda“.

3. Ansprüche gegen Tilman Jens und den Verlag Random House

Der Coautor Tilman Jens und der Random House Verlag, in dem das streitige Buch erschienen ist, haben ganz klar keine vertraglichen Vereinbarungen mit Kohl abgeschlossen. Insofern kam es in diesem Verhältnis darauf an, ob der ungenehmigte Abdruck von Kohls Äußerungen als Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewertet werden kann oder nicht. Das Landgericht Köln bejaht auch diese Frage wohl zu Recht. Es rechnet die im privaten Kreis in Kohls Haus in Ludwigshafen aufgenommenen Äußerungen Kohls dessen Privat- und Geheimsphäre zu. Die ungenehmigte Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen an Dritte wie den Mitautor und den Verlag verletze in rechtswidriger Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht Kohl zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort. Insbesondere habe sich Kohl auf die vertragliche Vertrauenssphäre verlassen dürfen, in der die Protokolle entstanden.

Schwierigkeiten bereitet dem Landgericht dann aber ersichtlich die Diskussion der Frage, dass es der Presse allerdings nicht

„schlechthin verwehrt sein darf, das was ihr auf rechtswidrigem Weg durch Informanten zugetragen wurde, zu veröffentlichen“.

Die Abwägung der Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Kohls nimmt das Landgericht Köln je nach streitiger Textpassage vor. Reaktionen Kohls auf den Selbstmord seiner Frau beträfen die innerste Privatsphäre Kohls und seine deshalb rechtswidrig. Ebenso seien Äußerungen Kohls gegenüber damaligen politischen Mitstreitern zu bewerten, zumal sie teils unmittelbar gegenüber den Betroffenen geäußert den Tatbestand einer Beleidigung erfüllen könnten.

Zulässig sei allerdings das Zitat des Kanzlers zu Fragen wie der Parteienfinanzierung, da hier das öffentliche Interesse eindeutig überwiege. Einen ähnlichen Schluss zieht das Landgericht hinsichtlich des Zitats von Äußerungen Kohls etwa über den Putsch in der Sowjetunion 1989 sowie zum jüdischen Weltkongress.

Facit: Dem Urteil des LG Köln zu den Kohl Protokollen ist überwiegend zuzustimmen, da es die vertragliche Zusammenarbeit zwischen Kohl und seinem Ghostwriter korrekt dahingehend bewertet, dass dieser eben gerade nicht das Recht haben sollte, die Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen Kohl und ihm eigenständig zu verwerten. Das Vermächtnis bleibt also zumindest rechtlich bei Kohl, und auch wenn er die Veröffentlichung des Buches tatsächlich kaum mehr aus der Welt schaffen kann, so bleibt ihm doch zumindest der künftige Schutz vor ungenehmigten Zitaten aus seinen Tonbandprotokollen.


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