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EGMR – Kein Anspruch auf Lizenzgebühr bei satirischer Werbung mit Prominenten

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei Entscheidungen festgestellt, dass bei der satirischen Werbung unter Nutzung der Vornamen von Prominenten kein Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr besteht (Urteile vom 19.02.2015 – 53649/09 – Bohlen / Bundesrepublik Deutschland und 53649/09 – Ernst August von Hannover / Bundesrepublik Deutschland [Verlinkung jeweils auf die amtliche französische Originalfassung]).

Das Unternehmen British American Tobacco (Germany) GmbH veröffentlichte in den Jahren 2000 und 2003 jeweils Werbeanzeigen für Zigaretten der Marke „Lucky Strike“. In einer der Anzeigen war eine zerdrückte Zigarettenschachtel mit dem Text „War das Ernst? Oder August?“ abgebildet. Dabei handelte es sich um eine Anspielung auf tätliche Auseinandersetzungen, in die Ernst August von Hannover in den Jahren 1998 und 2000 verwickelt war. In einer anderen Anzeige war über zwei Zigarettenschachtel, an denen ein schwarzer Filzstift lehnte, der Spruch „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“ zu sehen. Einzelne Wörter waren geschwärzt, aber dennoch lesbar. Dies war eine Anspielung auf das im Jahr 2003 von Dieter Bohlen veröffentliche Buch „Hinter den Kulissen“, das nach mehreren Gerichtsverfahren nur noch mit geschwärzten Textpassagen vertrieben werden durfte. Ernst August von Hannover und Dieter Bohlen forderten von dem Tabakkonzern u.a. Zahlung einer Lizenzgebühr für die unberechtigte Nutzung ihrer Person in der jeweiligen Werbekampagne. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Klagen abgewiesen (Urteile vom 05.06.2008 – I ZR 96/07 – Zerknitterte Zigarettenschachtel und I ZR 223/05). Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG liege nicht vor, da sich der Tabakkonzern aufgrund der satirischen Darstellung auf den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne.

Beide Kläger hatten daraufhin Beschwerde beim EGMR eingelegt, dieser hat die Entscheidungen des BGH gebilligt.

Zunächst liege keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor. Die Benutzung des (Vor-)Namens einer Person könne zwar dann das Privatleben betreffen, wenn durch ihn eine Identifizierung der jeweiligen Person möglich sei. Aufseiten des Tabakkonzerns sei jedoch die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 10 EMRK zu berücksichtigen. Die streitgegenständliche Werbung spiele auf öffentliche Ereignisse, die in den Medien aufgegriffen wurden, an und habe als Satire zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beigetragen. Prominente könnten weiterhin nicht in derselben Weise Schutz ihres Privatlebens beanspruchen wie unbekannte Privatpersonen. Auch enthielte die Werbung keine herabsetzenden oder negativen Bezugnahmen und es werde nicht suggeriert, dass sich die Kläger mit der Zigarettenmarke identifizieren würden.

Der EGMR hat offengelassen, ob ein Eingriff in das Recht auf Eigentum aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK vorliege. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre dieser jedoch ebenso gerechtfertigt.

Die Entscheidungen des BGH und des EGMR sind kritisch zu sehen. Von der Meinungsfreiheit sind zwar auch unterhaltende Beiträge erfasst, da diese ebenfalls der Meinungsbildung dienen können. Die Werbung im konkreten Fall zielt jedoch hauptsächlich auf die Erregung der Aufmerksamkeit bei den Betrachtern der Anzeigen und damit auf die Steigerung des Absatzes der beworbenen Produkte ab, der Beitrag zur Meinungsbildung ist eher gering einzuschätzen. Letztendlich führt die Rechtsprechung des BGH und EGMR dazu, dass Prominente die Nutzung ihrer Person für die kommerziellen Absichten eines Unternehmens immer dann entschädigungslos hinnehmen müssen, wenn die entsprechende Werbung einigermaßen humorvoll gestaltet wird. Dies stellt einen starken Eingriff in die vermögensrechtlichen Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Weiterhin wird Selbstbestimmungsrecht über die eigene Person betroffen, welches auch die Entscheidung beinhaltet, ob man für ein bestimmtes Produkt als Werbefigur auftreten möchte.


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