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Am heutigen 26. Februar 2019 hat der Kompromissvorschlag nun den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments („JURI“) passiert, das meldet das Europäische Parlament. Die finale Beratung im Parlament soll schon zwischen dem 25.-28. März stattfinden. Doch welche Auswirkungen wird die umstrittene Vorschrift in der Praxis tatsächlich haben?

Am 14. September 2016 hatte die Kommission den Vorschlag einer Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt veröffentlicht (COM(2016) 593 final). Viele spannende Themen behandelt die Richtlinie, wie etwa auch das Leistungsschutzrecht für die Presseverleger in Art. 11. Doch alleine Art. 13 hat den Sprung ins mediale Bewusstsein der großen Öffentlichkeit geschafft. Seit Monaten wird er kontrovers diskutiert. Es hat schon erste Protestdemonstrationen gegen die geplante Vorschrift gegeben, auf deren vorläufig finale Version sich die Verhandlungsparteien Rat, Kommission und Parlament am 13. Februar 2019 in den zuletzt doch noch erfolgreichen Trilog Verhandlungen geeinigt haben. In diesem Beitrag wollen wir zunächst einmal nur Art. 13 bewerten.

Besonders kommunikativ sind die mit der Sache befassten Europäischen Institutionen mit der Information der Öffentlichkeit bislang leider nicht umgegangen. Seit dem ausführlichen (öffentlichen) Richtlinienvorschlag der Kommission vom 14. September 2016 ist der Text und der Inhalt von Art. 13 in der heute mutmasslich finalen Version komplett umgestaltet worden. Die meisten Änderungen sind der Öffentlichkeit aber nur durch „Leaks“ bekannt geworden, also nicht autorisierte Veröffentlichungen.

Auch den jetzigen (inoffiziellen) Text von Art. 13 kennen wir nur durch die EU Parlamentarierin und Aktivistin Julia Reda, die ihn auf ihrer Website veröffentlicht hat. Zudem liegt bis heute auch nur die englische Sprachfassung vor.

Werfen wir nun einen Blick darauf, was wirklich drin steht im Art. 13 und welche Auswirkungen er auf die Plattformen und deren User haben könnte:

1. Wer ist betroffener Plattformbetreiber?

Kurz vorweg: Die neue Vorschrift richtet sich nur an gewerbliche Anbieter wie Youtube.

Die Definition des „online content sharing providers“ also des „Anbieters eines Dienstes zur gemeinsamen Nutzung von Online-Inhalten“ findet sich in Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie. Sie definiert diesen als „Provider der Informationsgesellschaft dessen hauptsächlicher Zweck darin besteht, öffentlichen Zugang zu einer großen Anzahl urheberrechtlich geschützter Inhalte zu geben, die von seinen Usern hochgeladen werden, welche der Dienst organisiert und bewirbt für gewerbliche Zwecke“. Nichtgewerbliche Anbieter, non-profit Enzyklopädien, wie etwa Wikipedia und andere non-profit Organisationen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich, fallen ebenso wenig unter die neue Vorschrift wie B2B Cloud Services, oder aber auch Cloud Dienste, die ihren Usern nur die Verwendung der hochgeladenen Daten für eigene Zwecke erlauben.

2. Die „Bauweise“ des Art. 13

a. Art. 13 in „Kurzversion“

Art. 13 stellt zunächst einmal klar, was bislang sehr umstritten war, dass nämlich Plattformen wie Youtube selbst den von ihren Usern hochgeladenen Content urheberrechtlich im Sinne einer Öffentlichen Wiedergabe nutzen. Deshalb fordert die Vorschrift die Provider auch auf, mit den betroffenen Urhebern und Leistungsschutzberechtigten Lizenzvereinbarungen abzuschließen, die dann auch gleichzeitig für die User der Plattform gelten sollen.

Wenn es dem Provider nicht gelingt ist, eine derartige Lizenzvereinbarung abzuschließen, dann soll er sich von der Haftung nur dann freizeichnen können, wenn er sich kumulativ erstens um den Abschluss einer solchen Lizenzvereinbarung bemüht hat, zweitens technische Maßnahmen nach bestem Industriestandard unternimmt, damit diejenigen Werke, auf die ihn die Rechteinhaber zuvor hingewiesen haben möglichst nicht hochgeladen werden können und drittens sofort agiert, falls er vom Rechteinhaber darauf hingewiesen wurde, dass diese Werke dessen ungeachtet trotzdem online waren.

Noch weitere Ausnahmen gelten nach Art. 13 Abs 4 aa für bis zu drei Jahre alte Startups mit einem jährlichen Umsatz unter 10 Millionen Euro. Sie müssen nur nachweisen, dass sie sich um eine Lizenz bemüht haben, und umgehend agieren, wenn sie auf illegale Inhalten hingewiesen werden, brauchen also keine (teuren) technischen Maßnahmen vorhalten.

b. Öffentliche Wiedergabe durch die Plattform

Ganz entscheidend ist: Das neue Gesetz stellt nun in Art. 13 Abs. 1 endgültig klar, dass die Plattform selbst die von Usern hochgeladenen Inhalte im Sinne einer Öffentlichen Wiedergabe urheberrechtlich nutzt. Das hatte zumindest Youtube in der Vergangenheit immer bestritten und darauf verwiesen, dass es ja seine User seien, die die Inhalte hochladen und nutzen würden. Die GEMA war anderer Ansicht und hat mit Youtube um diesen Punkt jahrelang vor Gericht gestritten. Kurz bevor die Rechtsstreite vor den BGH gegangen sind kam es dann im November 2016 zu einer Einigung zwischen der GEMA und Youtube, eben einer solchen Linzenzvereinbarung, deren genauer Inhalt aber bis heute geheim ist.

Aber auch der BGH hat jüngst ein klares Zeichen gesendet, dass er die Tätigkeit von Youtube als eigene Nutzungshandlung von Youtube wertet und dem EuGH diese Frage per Vorlagefrage vorgelegt (BGH Beschluss vom 13.9.2018 – I ZR 140/15 Youtube, Ausgangspunkt war ein Rechtsstreit der Sängerin Sarah Brightman gegen Youtube). Der BGH vertritt hier die Meinung, dass mehrere Faktoren den Rückschluss zulassen, dass sich Youtube nicht hinter seinen Usern verstecken könne, weil nämlich die Plattform erhebliche Werbeeinahmen erziele, sich von den Usern weltweite Lizenzen einräumen lasse und Tools zum einfachen Suchen der Videos bereitstelle.

c. Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten

Eher klarstellend verpflichtet Art. 13 Abs. 1 die Plattformbetreiber künftig deswegen auch Lizenzvereinbarungen mit den betroffenen Urhebern zu schließen und nennt dabei neben den Urhebern auch ausübende Künstler, Filmhersteller, Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen. Gerade hier setzt der Sturm der aktuellen Kritik an, die diese Pflicht der Plattformen als uferlos weit kritisiert. Wie das Beispiel der Vereinbarung mit der GEMA zeigt, ist es Youtube in der Vergangenheit aber sehr wohl schon gelungen, mit einem der bei weitem wichtigsten Urheberverbände eine Rahmenvereinbarung zu schliessen. Es gibt also kaum triftige Gründe, warum dies nicht mit anderen Urhebern gelingen sollte. Zudem gilt es zu bedenken, dass „kleinere Urheberverbände“, die etwa nicht über die finanziellen Mittel einer GEMA verfügen in der Vergangenheit gewiss auch diese rechtliche Auseinandersetzung mit Internetgiganten wie Youtube aus finanziellen Gründen gescheut haben.

d. Die Ausnahmeregelung

Und selbst wenn im Einzelfall Lizenzverhandlungen mit den Urhebern scheitern sollten, hat die Plattform nach Art. 13 Abs. 4 ja immer noch die Möglichkeit sich von der Haftung frei zu zeichnen. Art 13 Abs. 4 stellt klar, dass die Plattform zwar ohne die Genehmigung der Urheber für illegale Inhalte grundsätzlich haftet, bietet ihr aber zugleich eine wichtige Ausnahmeregelung an. Die Haftung entfällt nämlich, wenn die Plattform kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt:

(1.) Muss die Plattform im Vorfeld versucht haben, mit den jeweiligen Urhebern eine Lizenz zu verhandeln (Art. 13 Abs. 4 a).

(2.) Muss sie nach höchstem Industriestandard und mit professioneller Sorgfalt bestmögliche Anstrengungen unternehmen um sicherzustellen, dass bestimmte Werke – auf die sie von den Rechteinhabern auch noch zuvor mit der notwendigen Klarheit hingewiesen werden müssen – nicht hochgeladen werden können und falls dies dennoch der Fall sein sollte (Art. 13 Abs. 4 b),

(3.) diese unmittelbar entfernen, sobald sie vom betroffenen Rechteinhaber mit begründetem Hinweis darauf hingewiesen wurden. Zugleich muss dann die Technik nach Abs. 2 zum Schutz vor erneutem Hochladen verbessert werden (Art. 13 Abs. 4 c).

(4.) Bewertung:

Liest man die zugunsten der Plattform geschaffene Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 4 richtig, so erscheint diese durchaus fair. Zwar muss die Plattform mit den betroffenen Urhebern zuvor verhandeln, das hat aber Youtube auch schon in der Vergangenheit getan, siehe das Beispiel GEMA. Den politisch heiß umstrittenen Begriff des Uploadfilters verwendet der Gesetzestext tatsächlich gar nicht, die Technik kann also frei gewählt werden, solange sie effizient ist. Youtube nutzt solche Technik seit langem. Die Plattform ist auch nicht per se in der Haftung, sondern der betroffene Rechteinhaber muss die Plattform zuvor auch noch in geeigneter Weise auf die Werke aufmerksam machen, die er dort nicht online haben will (also gerade umgekehrt, als das im Urheberrecht sonst der Fall ist, wo man niemanden mitteilen muss, dass man bei ihm sein Werk nicht online sehen will). Nur hierfür muss die Plattform mit bestmöglichen technischen Vorkehrungen sorgen, etwa eben Uploadfiltern, die das Gesetz aber nicht explizit vorschreibt. Und selbst wenn einer solcher Inhalt dann trotz der technischen Anstrengungen der Plattform doch von einem findigen User online gestellt werden konnte haftet die Plattform immer noch nicht, wenn sie auf den wiederum notwenigen Hinweis des geschädigten Rechteinhabers den rechtsverletzenden Content unverzüglich offline nimmt und die Technik nachjustiert.

e. Die erweitere Ausnahmeregelung für neue Plattformen

In Art. 14 Abs. 4aa steht zudem noch die erweiterte Ausnahmeregelung für neue Plattformen, die jünger als drei Jahre sind. Sie müssen nur nachweisen, dass sie versucht haben mit den relevanten Urhebern zu verhandeln und unverzüglich reagieren, sobald man ihnen Rechtsverletzungen mitteilt, brauchen also keine aufwändigen technischen Schutzsysteme.

f. Bewertung des Art. 13 aus urheberrechtlicher Sicht

(1) Öffentliche Wiedergabe durch die Plattform sinnvoll?

Zunächst erscheint es aus urheberrechtlicher Sicht sinnvoll, kommerziellen Plattformen die urheberrechtlichen Nutzungshandlung ihrer User selber zuzuordnen, also festzuhalten, dass die Plattform selber eine Öffentliche Wiedergabe der jeweils geschützten Werke vornimmt. Denn die Plattform ist es ja, die mit dem hochgeladenen Content per Werbung und enormer Reichweite Geld verdient, die Inhalte strukturiert, sortiert und wahrnehmbar macht. Auch bei Radios hat der Gesetzgeber eine ähnliche rechtliche Konstruktion gewählt, denn sie sind zwar vom Verbotsrecht ausgenommen, dürfen also alles Repertoire der Musikindustrie spielen, müssen aber mit der GEMA Lizenzverträge abschliessen. Fernsehsender und Streamingdienste wie Netflix hingegen müssen individuell mit den Produzenten verhandeln, ehe sie deren Filme zeigen dürfen. Plattformen wie Youtube sind nach Art. 13 Abs. 4 damit immer noch relativ privilegiert für den Content der User. Die Rechteinhaber ihrerseits können individuell überlegen, ob sie die Wiedergabe ihres Repertoirs auf Youtube gegen Lizenzzahlung tolerieren wollen, was etwa für die GEMA Sinn macht, für die Kinoproduzenten hingegen sicherlich nicht.

(2) Zu weiter Kreis der Urheber?

Die Anzahl der betroffenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten dürfte in der Praxis wohl auch nicht so uferlos weit sein, wie viel fürchten. Musik (also Urheber und Tonträgerhersteller) dürfte der mit Abstand größte Bestandteil (denkbarer illegaler) Bestandteile von Usern hochgeladener Videos sein, dieses Segment hat Youtube in Deutschland ja aber schon mit der GEMA geklärt. In Frage kommen könnten noch in relevanterem Umfang geschützte Filmsequenzen in Kanälen, die Filme rezensieren. Betroffen könnten theoretisch auch noch Textautoren sein, deren Werke von Youtubern vorgelesen werden, wenn auch das wohl eher selten vorkommt. Denkbar wären schließlich auch noch geschützte Fotos, die unrechtmäßig in Videos hineingeschnitten wurden. Vielleicht mag es hier noch sinnvoll sein, einem Ausufern der Verhandlungsverpflichtung der Plattform dadurch zu begegnen, dass man sie auf die großen Urheberverbände beschränkt, wie eben GEMA, VG Wort und denkbar auch die Produzenten dazu auffordert, gemeinsame Positionen einzunehmen.

(3) Zu strenge Ausnahmeregelung?

Vorab: Sollte der EuGH die Meinung des BGH in der Youtube Vorlagefrage teilen, dann wäre die rechtliche Situation von Youtube und Co. im Extremfall um einiges schlechter, als sie das unter der Geltung des neuen Art. 13 wäre. Denn dann könnte jeder Urheberrechtsverletzende Upload eines Users ohne Vorwarnung gegenüber der Plattform abgemahnt werden. Eine flexible Ausnahmeregelung wie den Art. 13 Abs. 4 gäbe es dann gar nicht.

Die Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 4 dürfte in der Praxis wohl ebenfalls beweisen, dass sie durchaus ausgewogen ist. Die Plattform haftet zwar dem Grunde nach, wenn sie keine Lizenz mit dem betroffenen Urheberverband oder Produzenten verhandeln konnte. Aber es bleiben der Plattform immer noch zahlreiche Möglichkeiten ihre Haftung im Rahmen der Ausnahmeregelung zu verhindern. Hierzu muss man sich vor allem vor Augen halten, dass die Rechteinhaber ja zweimal an die Plattform herantreten müssen: Einmal im Vorfeld, um der Plattform exakt mitzuteilen, von welchen ihrer Produktionen sie gerade nicht wünschen, dass sie auf der Plattform erscheinen, so dass die technischen Schutzmaßnahmen wie Uploadfilter darauf eingestellt werden können. Und dann noch einmal, wenn sich herausstellen sollte, dass dennoch illegale Uploads aufgetaucht sind. Hier gilt es auch zu bedenken, dass einige Produzenten Uploads von Sequenzen ihrer Werke von vornherein gar nicht kritisieren. So sind etwa große Hersteller wie HBO mit erfolgreichen Serien wie“ Game of Thrones“ sehr kulant was die Besprechung ihrer Serien mit Ausschnitten betrifft.

(4) Zensurvorwurf – Meinungsfreiheit verletzt?

Ganz generell sollte man sich allerdings auch immer vor Augen halten, dass sich in der ganz überwiegenden Anzahl der hochgeladenen Videos ja schließlich gar keine urheberrechtsverletzenden Inhalte befinden, weil sie die User an die den meisten bekannten Regeln halten. Der häufig zu hörende Vorwurf der „Zensur“ trifft also auf alle diese Inhalte von vornherein nicht zu. Und gibt es tatsächlich ein „Recht auf Urheberrechtsverletzung“, das man der Meinungsäußerungsfreiheit gleichstellen könnte? Kann es also Konstellationen geben, in denen man sinnvoll seine Meinung nur unter Verletzung fremder Urheberrechte äußern könnte? Das Urheberrecht sieht schon immer die Möglichkeit vor, fremde Texte zum Zwecke der Kritik zu zitieren (§ 51 UrhG), Parodien sind als Unterfall der freien Benutzung nach § 24 UrhG zulässig. Berichten kann man über Filme und Serien stets auch ohne den Film zu zeigen. Ein „Recht“ auf urheberrechtsverletzende Uploads erscheint also jedenfalls sehr fragwürdig.

 

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