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Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegen Internetprovider in der Diskussion

Nach der Neufassung des Urheberrechts im September 2003 steht bereits die nächste Änderung bevor. Unter anderem soll hier im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG (Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, sog. Enforcement-Richtlinie) der im Urhebergesetz geregelte zivilrechtliche Auskunftsanspruch erheblich erweitert werden.

I. Aktuelle Rechtslage und geplante Neuregelung

Die derzeitige Regelung des § 101a UrhG sieht einen Auskunftsanspruch nur gegen den Verletzer selbst vor. In der Praxis besteht jedoch insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen im Internet (z.B. Anbieten urheberrechtlich geschützter Musikstücke in Tauschbörsen) häufig das Problem, dass schon die Identität des Verletzers nicht ermittelt werden kann. Es ist hier zwar möglich, die IP-Adresse des jeweiligen Nutzers festzustellen, eine Zuordnung von Name und Adresse kann jedoch nur der Internet-Provider vornehmen, bei dem der Nutzer Kunde ist.

Eine Ausdehnung des bestehenden Auskunftsanspruchs aus § 101a UrhG auf Internetprovider wurde von den Gerichten bisher abgelehnt (z.B. OLG Frankfurt a. M., Az. 11 U 51/04). Den Rechteinhabern war es deshalb nur über den „Umweg? eines Strafverfahrens möglich, die Nutzerdaten von den Providern zu erhalten.

Hier soll durch die geplante Neufassung Abhilfe geschaffen werden. Nach dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom Januar 2006 sollen die Rechteinhaber nun auch von Dritten, denen zwar selbst kein Urheberrechtsverstoß zur Last fällt, die aber Dienstleistungen erbracht haben, die für die Begehung der Rechtsverletzung benutzt wurden, Auskunft verlangen können.

II. Vor- und Nachteile der neuen Regelung

1. Vorteile

Die Schaffung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruches führt zunächst zu einer erheblichen Erleichterung der Rechtsverfolgung im Internet. Die Rechteinhaber sind nicht mehr gezwungen, eine Strafanzeige gegen Unbekannt zu erstatten, um an die Daten des Verletzers zu gelangen, sondern können sich direkt an die Provider wenden. Dies dürfte auch die Staatsanwaltschaften entlasten, die bereits unter der Anzeigenflut ächzen. So sollen nach einem Bericht von heise.de allein bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe binnen eines Jahres rund 40.000 Anzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen im Internet eingegangen sein. Es ist anzunehmen, dass die Rechteinhaber (soweit es sich nicht um Verletzungen in erheblichem Ausmaß handelt) in Zukunft auf die Einleitung eines Strafverfahrens verzichten und gegen die Verletzer lediglich zivilrechtliche Ansprüche (z.B. Unterlassung oder Schadensersatz) geltend machen werden.

2. Nachteile

Andererseits ist zu befürchten, dass mit Hilfe des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs die sog. Abmahnwelle noch weiter zunehmen wird. In letzter Zeit waren vermehrt Unternehmen in die Kritik geraten, die bei Rechtsverstößen im Internet massenweise Abmahnungen verschicken ließen. Einem solchen Missbrauch soll dadurch begegnet werden, dass der Auskunftsanspruch nach der geplanten Neuregelung nur dann besteht, wenn die Inanspruchnahme des Dritten auch verhältnismäßig ist. Dies soll laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nur dann der Fall sein, wenn ein gewichtiger Eingriff in Urheberrechte vorliegt, etwa beim Herunterladen einer großen Menge an Musikstücken aus dem Internet.

Weiterhin würde die Auskunftserteilung durch die Provider einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis darstellen. Aus diesem Grund soll in den Fällen, in denen die Auskunft auch Verkehrsdaten i.S.d. § 3 Nr. 30 TKG umfasst (z.B. Dauer der Verbindung oder die Kennung der beteiligten Anschlüsse), eine richterliche Anordnung erforderlich sein.

III. Ausblick

Die Neuregelung des Auskunftsanspruchs befindet sich derzeit noch in der Diskussionsphase, wurde zuletzt beim Institut für Urheber- und Medienrecht in München diskutiert. Die zu dem Referentenentwurf geäußerten Meinungen gehen dabei weit auseinander. Während den Vertretern der Rechteninhaber der geplante Auskunftsanspruch noch nicht weit genug geht (es wird hier etwa die Abschaffung des Richtervorbehalts gefordert), wird auf der anderen Seite verlangt, vollständig auf einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch zu verzichten und die bisherige Regelung beizubehalten. Somit bleibt abzuwarten, inwieweit der vorgelegte Entwurf auch wirklich umgesetzt wird.

Anzumerken ist noch, dass der geplante Auskunftsanspruch noch weitere Gesetzesänderungen notwendig macht. Nach derzeitiger Rechtslage sind die Provider durch § 96 Abs. 2 TKG verpflichtet, die zur Ermittlung der Nutzeridentität erforderlichen Daten nach Beendigung der Verbindung zu löschen, soweit sie nicht für die in §§ 97, 99, 100, 101 TKG genannten Zwecke, also insbesondere für die Abrechnung, erforderlich sind. Nach einem Urteil des LG Darmstadt (Az. 25 S 118/2005) sind daher bei den weit verbreiteten Flatrates mit dynamischen IP-Adressen die Daten regelmäßig zu löschen.

Fraglich ist auch, inwieweit zukünftig im Rahmen des Auskunftsanspruchs auf die Daten zurückgegriffen werden kann, die aufgrund der umzusetzenden Richtlinie 2006/24/EG (sog. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung) gespeichert werden müssen. Hierdurch sollen u.a. die Internetprovider verpflichtet werden, für einen Zeitraum von 6 Monaten bis zu zwei Jahren Benutzerkennung, Name und Anschrift des Teilnehmers sowie IP-Adresse zu speichern. Problematisch daran ist jedoch, dass die Richtlinie einen Zugriff auf diese Daten nur bei schweren Straftaten vorsieht.

Dr. Bernhard Knies / Stud. iur. Sebastian Pech – München, 28.5.2006


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