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Wie aus einer aktuellen Pressemitteilung hervorgeht, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Bildberichterstattung über den privaten Restaurantbesuch eines Politikers am Vorabend eines ihn betreffenden bedeutenden politischen Ereignisses zulässig sein kann (Urt. v. 27.09.2016 – VI ZR 310/14).

Sachverhalt

 Der Kläger ist Klaus Wowereit, der ehemalige Regierende Bürgermeister der Stadt Berlin. Er wendete sich gegen die Veröffentlichung von drei Fotos in der von dem Axel-Springer-Verlag verlegten Berliner Ausgabe der „BILD“-Zeitung.

Unter der Überschrift „Vor der Misstrauensabstimmung ging’s in die Paris-Bar …“ waren auf diesen Wowereit zusammen mit Karl-Heinz Müller, dem Chef der Modemesse „Bread & Butter“, und dessen Ehefrau bei einem privaten Besuch in der „Paris-Bar“, einem bekannten Prominenten-Treff in Berlin, zu sehen.

Am folgenden Tag sollte im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Misstrauensabstimmung stattfinden, die wegen des in die Kritik geratenen Managements beim Bau des neuen Flughafens „Berlin Brandenburg“ (BER) beantragt worden war.

In dem Text zu den Fotos hieß es u.a. „Der Regierende wirkt am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt … und genehmigt sich einen Drink in der Paris-Bar (Kantstraße)“. Auf derselben Seite befand sich unter der Überschrift „Vom Partybürgermeister zum Bruchpiloten“ ein Bericht über das politische Wirken Wowereits.

Wowereit sah sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs.1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt, da es sich um ein privates Treffen gehandelt habe, und klagte auf Unterlassung.

Das Landgericht (LG) Berlin hat der Klage stattgegeben (Urt. v. 27.08.2013 – 27 O 180/13), das Kammergericht (KG) hat die Entscheidung bestätigt (Beschl. v. 07.07.2014 – 10 U 143/13).

Die Entscheidung des BGH:

 Der BGH hat die Bildberichterstattung für zulässig erklärt und die Klage abgewiesen. Die veröffentlichten Fotos seien dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen, so dass eine Einwilligung Wowereits nicht erforderlich sei.

Die Veröffentlichung der Bilder sei im Kontext einer Presseberichterstattung über die Misstrauensabstimmung im Berliner Abgeordnetenhaus erfolgt, wobei es sich um ein bedeutendes politisches Ereignis handle. Sie zeigten, wie Wowereit am Vorabend des möglichen Endes seiner politischen Laufbahn mit der Belastung umgehe. Auch wenn der Restaurantbesuch für sich genommene eine private Situation darstelle, überwiege die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Allgemeinheit aus Art. 5 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht Wowereits aus Art. 1 Abs.1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Bilder verletzten auch keine berechtigten Interessen i.S.d. § 23 Abs. 2 KUG. Sie stellten eine unverfängliche Situation in einem bekannten Restaurant dar, bei der Wowereit mit einer Presseberichterstattung haben rechnen müssen.

Bewertung

Die Entscheidung des BGH entspricht den vom Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aufgestellten Leitlinien (z.B. Urt. v. 24.06.2004 – 59320/00 – von Hannover/Deutschland).

Danach ist bei einer Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 EMRK und der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK insbesondere zu berücksichtigen, ob die veröffentlichten Fotoaufnahmen einen Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse leisten. Bei einer Person, die ein öffentliches Amt bekleidet, kann dies unter besonderen Umständen auch bei Aspekten des Privatlebens der Fall sein, da die Presse hier eine „Wachhund“-Funktion ausübt.

Diese besonderen Umstände sah der BGH in der bevorstehenden Misstrauensabstimmung und der Tatsache, dass das private Verhalten Wowereits zu diesem Zeitpunkt möglicherweise auch Rückschlüsse auf seine politische Arbeit zulassen könnte.


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