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BGH  I ZR 94/13 – Haftung eines Bewertungsprotals für Nutzerbewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen

In einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 19.03.2015 – I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Betreiber eines Bewertungsportals nicht für Nutzerbewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen haftet, wenn er sich die Äußerungen nicht zu Eigen gemacht hat, keine Kenntnis von der Unwahrheit hat und die Bewertung nach Kenntniserlangung unverzüglich entfernt.

 Sachverhalt

Die Klägerin ist Betreiberin eines Hotels in Berlin, die Beklagte unterhält ein Hotelbewertungsportal im Internet. Auf diesem können Nutzer anonym Bewertungen für Hotels abgeben. Die Bewertungen werden vor der Veröffentlichung durch eine Software gefiltert, die Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelbetreibern auffinden soll. Von der Software als unauffällig eingestufte Bewertungen werden automatisch veröffentlicht, ausgefilterte Bewertungen werden von den Mitarbeitern der Beklagten überprüft und freigegeben, wenn keine Beanstandungen bestehen. Aufgrund der Bewertungen werden durch die Beklagte für die Hotels Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate ermittelt. Für das Hotel der Klägerin wurde im Jahr 2010 eine negative Bewertung, die mit „Für 37,50 € pro Nacht gabs Bettwanzen“ überschrieben war, veröffentlicht. Die Klägerin mahnte die Beklagte ab, woraufhin die Bewertung entfernt wurde. Die von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung gab die Beklagte jedoch nicht ab.

Die Klägerin erhob daher Klage, die sie damit begründete, dass die in der Bewertung aufgestellten Tatsachenbehauptungen nicht zuträfen und die Beklagte uneingeschränkt für geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen auf ihrem Bewertungsportal hafte.

Das Landgericht (LG) Berlin (Urt. v. 16.02.2012 – 52 O 159/11) sowie das Kammergericht (KG) (Urt. v. 16.04.2013 – 5 U 63/12) als Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.

Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat ebenfalls einen Unterlassungsanspruch der Klägerin wegen der Behauptung oder Verbreitung von unwahren geschäftsschädigenden Tatsachen (§ 4 Nr. 8 UWG) verneint und die Revision gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.

Zwischen dem Betreiber eines Hotels und dem eines Hotelbewertungsportals bestehe zwar ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, sodass beide als Mitbewerber anzusehen seien. Weiterhin sei im konkreten Fall auch von einer Unwahrheit der Tatsachenbehauptungen auszugehen.

Die Beklagte habe jedoch die unwahren Tatsachen nicht i.S.d. § 4 Nr. 8 UWG behauptet. Die Äußerung stamme nicht von ihr selbst, sondern von einem Nutzer. Eine Behauptung sei jedoch auch dann anzunehmen, wenn sich eine Person eine fremde Äußerung zu Eigen mache, indem nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung übernommen oder der zurechenbare Anschein einer Identifikation erweckt werde. Ob dies der Fall sei, sei aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers zu bestimmen, was im konkreten Fall jedoch verneint werden müsse. Inhalt und Gestaltung des Bewertungsportals des Beklagten erweckten nicht den Eindruck, dass sich die Beklagte mit den Äußerungen ihrer Nutzer identifiziere. Die Erstellung von Durchschnittswerten und einer Weiterempfehlungsrate sei nicht mit einer inhaltlich-redaktionelle Kontrolle vergleichbar, da dadurch kein Einfluss auf den Inhalt der Bewertungen genommen werde. Auch finde weder durch den automatischen Wortfilter noch durch die sich gegebenenfalls anschließende Durchsicht durch einen Mitarbeiter der Beklagten eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der Bewertungen auf Vollständigkeit oder Richtigkeit statt. Diese Maßnahmen erfolgten allein zur Einhaltung der Nutzungsbedingungen der Bewertungsplattform.

Weiterhin liege auch keine Verbreitung der unwahren Tatsachenbehauptungen i.S.d. § 4 Nr. 8 UWG vor. Ein solche sei zwar grundsätzlich in der Weiterverbreitung einer (fremden) Tatsachenbehauptung zu sehen. Für Internetsachverhalte sei jedoch eine einschränkende Auslegung erforderlich, da nach § 7 Abs. 2 S. 1 TMG, § 10 TMG Diensteanbieter nicht verpflichtet seien, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Der Betreiber der Internetseite müsse sich aber darauf beschränken, seinen Dienst mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von den Nutzern eingegebenen Daten neutral zu erbringen. Dies sei hier der Fall, durch die statistische Auswertung von Bewertungen sowie den Einsatz eines Wortfilters und die gegebenenfalls anschließende manuelle Überprüfung verlasse die Beklagte ihre neutrale Position nicht, da keine inhaltliche Einflussnahme erfolge und auch keine Kenntnis von einer etwaigen Unwahrheit der Behauptungen bestehe.

Weiterhin dürften spezifische Prüfungspflichten nicht verletzt sein, die sich danach richteten, ob und inwieweit dem Betreiber der Internetseite eine Überprüfung zumutbar sei. Eine vollständige inhaltliche Kontrolle der Bewertungen sei der Beklagten unzumutbar. Erst wenn der Plattformbetreiber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen werde, müsse er die konkrete Äußerung unverzüglich sperren und dafür Sorge tragen, dass ähnliche Rechtsverletzungen in Zukunft verhindert würden. Die Beklagte habe erst mit der durch die Klägerin erfolgten Abmahnung Kenntnis von der Bewertung erhalten und sie anschließend sofort entfernt, sodass sie ihren Prüfpflichten nachgekommen sei.

Aus diesem Grund scheide auch eine Haftung wegen der Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten aus.

Bewertung

Der Entscheidung des BGH ist beizupflichten. Bewertungsportale im Internet dürfen nicht mit übertriebenen Überwachungspflichten belastet werden. Die Plattformen übernehmen einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung und zum Verbraucherschutz, indem sie als Informationsquelle vor Abschluss von Kauf- oder anderen Verträgen genutzt werden können. Eine anlasslose Prüfung aller Inhalte wäre äußerst zeit- und kostenintensiv und würde das Geschäftsmodell der Plattformen in den meisten Fällen unwirtschaftlich machen. Zum Schutz der Betroffenen ist es zudem ausreichend, wenn der Betreiber zur Löschung von Bewertungen verpflichtet ist, sobald ihm eine Rechtsverletzung mitgeteilt wird.

Bewertungsplattformen haben die Gerichte in der letzten Zeit häufig beschäftigt. So hat der BGH erst im letzten Jahr entschieden (Urt. v. 01.07.2014 – VI ZR 345/13), dass der Betreiber eines Bewertungsportals nicht verpflichtet werden kann, im Falle einer Persönlichkeitsverletzung durch einen Nutzer ohne dessen Einwilligung ihn betreffende personenbezogene Daten an den Betroffenen zu übermitteln.


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