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Der BGH weist die Revision gegen ein Urteil, in dem ein Mieter von seinem ehemaligen Vermieter eine Geldentschädigung wegen diverser Beleidigungen via SMS fordert, auf Kosten des Klägers zurück.

Auch primitive und grobe Beleidigungen wie beispielsweise „asozialer Abschaum“ oder „arrogante rotzige große asoziale Fresse“ per SMS begründen nach Ansicht des BGH keinen Schadensersatzanspruch in Geld, wenn die Breitenwirkung in der Öffentlichkeit fehlt (BGH, Urteil v. 24.05.16, Az. VI ZR 496/15).

Sachverhalt

Im Zeitraum von 10. bis 11. Juni 2012 bezeichnete der Beklagte, der ehemals Vermieter des Klägers war, diesen – veranlasst durch Streitigkeiten im ehemaligen Mietverhältnis – in Kurzmitteilungen (SMS) als „Lusche allerersten Grades“, „arrogante rotzige große asoziale Fresse“, „Schweinebacke“, „feiges Schwein“, „feige Sau“, „feiger Pisser“, „asozialer Abschaum“ und „kleiner Bastard“. Der Kläger begehrte im einstweiligen Verfügungsverfahren zunächst erfolgreich Unterlassung und ein Kontaktverbot. Zudem stellte er gegen den Beklagten Strafanzeige. Der Kläger forderte jedoch auch Geldentschädigung. Diesen Anspruch verfolgte der Kläger nach der Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten bis zum Bundesgerichtshof, nachdem die Sache sowohl vor dem Amtsgericht Wesel (Urteil v. 01.12.2014, Az. 30 C 9/14) als auch in der Berufung vor dem LG Duisburg (Urteil v. 30.07.2015, Az. 12 S 146/14) keinen Erfolg brachte. Nun hat auch der BGH in dem Revisionsverfahren ein letztes Wort dazu gesprochen und die Klage zurückgewiesen.

Entscheidung des BGH:

Auch der BGH lehnte nunmehr in letzter Instanz einen Geldentschädigungsanspruch aus § 823 BGB i.V.m. Art 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG im Ergebnis ab.

Schon das Berufungsgericht LG Duisburg kam zu der Auffassung, dass es sich zwar um heftige Beleidigungen handele, die auch mehrfach geäußert wurden. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass die Äußerungen in einem kurzen Zeitraum geäußert worden sind und kein Öffentlichkeitsbezug vorlag. Darüber hinaus handele es sich um schlichte, primitive Beleidigungen, denen ein Tatsachenkern fehle. Dies sah auch der BGH so.

Der BGH führte aus, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung voraussetze, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen handelt, der nicht anders ausgeglichen werden könne. Der BGH hatte also zu beurteilen, ob die mannigfachen Beleidigungen des Beklagten einen solchen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellten.

Ob ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliege, so der BGH weiter, sei nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Hierbei spielten insbesondere Bedeutung und Tragweite des Eingriffes, der Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens eine Rolle.

Der BGH betonte, dass bei dieser Gesamtwürdigung insbesondere auch ein bereits erwirkter Unterlassungstitel und die mit diesem verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sei, da dieser den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und sogar ausschließen könne.

Im Ergebnis gelangte der BGH zur Auffassung, dass es sich bei den Äußerungen um grobe Beleidigungen im persönlichen Umfeld ohne jegliche Breitenwirkung in der Öffentlichkeit handele und der Kläger diese Beeinträchtigungen durch den bereits erwirkten Unterlassungstitel und die Möglichkeit den Privatklageweg im Strafverfahren zu bestreiten befriedigend und hinreichend auffangen könne und lehnte daher einen Anspruch auf Geldentschädigung ab.

Bewertung

Der Geldentschädigungsanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen wird restriktiv gehandhabt. Diese ständige Rechtsprechung wurde durch die hier vorliegenden Entscheidungen der Gerichte in allen Instanzen gestärkt.

Nach der ständigen Rechtsprechung besteht ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nämlich nur dann, wenn es sich um einen „schwerwiegenden“ Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann (BGH, Urteil v. 15.09.2015, Az. VI ZR 175/14; BGH Urteil v. 21.04.2015, Az. VI ZR 245/14). Ob es sich um eine „schwerwiegende“ Verletzung handelt, beurteilt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls und der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, sowie Anlass und Beweggrund des Handelnden und Grad seines Verschuldens (BGH Urteil v. 9.Juli 1985 –VI ZR 214/83; BGH Urteil v. 24. November 2009 –VI ZR 219/08; BGH Urteil v. 21. April 2015 –VI ZR 245/14; BGH Urteil v. 15. September 2015 –Vi ZR 175/14).

Der Schutz des Persönlichkeitsrechtes könnte ohne diesen Anspruch auf Geldentschädigung nicht ausreichend gewährleistet werden. Auch beim „immateriellen“ Gut der Persönlichkeit ist also ein Anspruch auf Geldentschädigung, oder umgangssprachlich „Schmerzensgeld“, seit Langem anerkannt. Ein Anspruch auf Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist allerdings nur bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechtes und nur sofern diese Beeinträchtigungen nicht auf andere Weise als durch einen Geldentschädigungsanspruch aufgefangen werden können, zuzusprechen.

Alle Instanzen sahen im vorliegend zu beurteilenden Streitfall jedoch keine „schwerwiegende“ Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Kläger, welche einen Geldentschädigungsanspruch gerechtfertigt hätte. Ausschlaggebend bei der Beurteilung war insbesondere, dass die Beleidigung im persönlichen Umfeld ohne Breitenwirkung in der Öffentlichkeit erfolgte.

Die Voraussetzungen an den Geldentschädigungsanspruch sind also sehr hoch und nur in wenigen Fällen ist in der Praxis eine Durchsetzung dieses Anspruches wegen Beleidigungen ratsam. Üblicherweise werden auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Beleidigungen in der Tendenz eher eingestellt und es wird diesbezüglich auf den Privatklageweg verwiesen. Außer dem Unterlassungsanspruch hat der Betroffene also meist keinen einfach und schnell durchsetzbaren Anspruch. Dies mag zwar im Einzelfall bedauerlich sein, liegt allerdings in der insgesamt restriktiven Handhabung von Schmerzens- bzw. Geldentschädigungsansprüchen in der deutschen Rechtsprechung begründet. Der Geldentschädigungsanspruch soll gerade dort greifen, wo ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht andernfalls sanktionslos bliebe.


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