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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung Auswirkungen auf Filesharing und den Auskunftsanspruch gem. § 101 UrhG

Am 2. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit seinem lang erwarteten Urteil zur Vorratsdatenspeicherung Aufsehen erregt: wie von Fachkreisen vorausgesehen, erklärte der Erste Senat die §§ 113a, 113b Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie § 100a Strafprozessordnung (StPO), soweit dieser die Erhebung von nach §§ 113a TKG gespeicherten Daten zulässt, für nichtig. Auch auf die urheberrechtliche Relevanz gingen die Karlsruher Richter in ihrem Urteil ein.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Nichtigkeit der genannten Vorschriften auf das Filesharing und den Auskunftsanspruch gem. § 101 UrhG hat.

Situation vor dem 2. März 2010

Filesharing ist die direkte Weitergabe von Dateien zwischen Internet-Usern unter Verwendung eines sog. Peer-to-Peer-Netzwerks. Der einzelne Nutzer gibt hierbei Dateien auf seinem Rechner frei und stellt diese anderen zum Kopieren bzw. Download zur Verfügung. Das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken ohne Erlaubnis des Urhebers stellt eine Urheberrechtsverletzung dar, deren Verfolgung gesetzlich in den §§ 16, 19a, 97 UrhG geregelt ist. Die relevante Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch gegen Internetprovider findet sich seit 2008 in § 101 Abs. 9 UrhG, der für die Auskunftserteilung insbesondere eine vorherige richterliche Anordnung verlangt.

Ein mögliches Vorgehen gegen illegales Filesharing setzt zunächst natürlich die Identifikation des Anbieters des urheberrechtlich geschützten Werkes voraus. Dies geschieht mithilfe der sog. IP-Adressen, die Internetzugangsprovider ihren Kunden zuweisen. Jedes Mal, wenn sich der Nutzer neu ins Netz einwählt, wird eine neue sog. dynamische IP-Adresse vergeben. Aus dieser ist die Identität des Users nicht erkennbar, jedoch werden die Nutzerdaten beim Provider abgeglichen, was eine Identifizierung möglich macht. Da es sich hierbei um personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) handelt, sind spezifische Befugnisse zur Speicherung und insbesondere zur Übermittlung zu prüfen. Bei Namen und Adresse des Nutzers handelt es sich um Bestandsdaten iSd § 3 Nr. 3 TKG, während die IP-Adresse und die damit verknüpften Daten den Verkehrsdaten iSd § 3 Nr. 30 TKG zuzuordnen sind. Für die Speicherung von Verkehrsdaten gelten strengere Voraussetzungen, da diese die näheren Umstände der Telekommunikation enthalten. Diese Voraussetzungen richten sich nach § 96 TKG, der die Erhebung und Verwendung der für das Herstellen und Aufrechterhalten einer Telekommunikationsverbindung notwendigen Verkehrsdaten insbesondere für Abrechnungszwecke ermöglicht.

Das Urteil des BVerfG

Das BVerfG hatte sich im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung mit einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden zu befassen. Diese richteten sich gegen diejenigen Vorschriften, die in Umsetzung einer europäischen Richtlinie die Speicherungspflichten für (Verkehrs-)Daten sowie deren Verwendung gesetzlich festlegten. Namentlich handelt es sich hierbei um § 113a und § 113b TKG (sowie § 100g StPO, soweit danach Verkehrsdaten nach § 113a TKG erhoben werden dürfen). In seinem Urteil erklärte der Erste Senat die genannten Vorschriften aufgrund Unvereinbarkeit mit dem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für nichtig.

Es könnte der Eindruck entstehen, dieses Resultat habe zur Folge, es würden seit dem 2. März 2010 überhaupt keine Verkehrsdaten mehr gespeichert und mangels vorhandener Daten könne Filesharing nun nicht mehr nachvollzogen und deswegen auch nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Dem ist jedoch nicht so. Wie eingangs bereits erwähnt, wird die Datenerhebung in diesem Zusammenhang gestützt auf § 96 TKG. Nach ständiger Rechtsprechung bildet § 101 Abs. 9 UrhG einen Erlaubnistatbestand auch nur für die gemäß dieser Vorschrift gespeicherten Verkehrsdaten und nicht für die allein auf Grundlage der Speicherungsverpflichtung nach § 113a TKG gespeicherten Daten.

Die Speicherung und Verwendung der Daten gem. §§ 113a, 113b folgt laut der europäischen Richtlinie, die mit diesen Vorschriften umgesetzt wird, dem Zweck der ?Harmonisierung der Pflichten für Diensteanbieter bzw. Netzbetreiber im Zusammenhang mit der Vorratsspeicherung bestimmter Daten und die Gewährleistung, dass diese Daten zum Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmt werden, zur Verfügung stehen.

Eine schwere Straftat in diesem Sinne ist etwa ein terroristischer Anschlag Filesharing ist damit jedenfalls nicht gemeint.

Die Zielrichtungen der §§ 113a, 113b TKG weichen daher von denen des § 96 TKG ab; während erstere die Verfügbarkeit bestimmter Datenkategorien für die Dauer eines halben Jahres für den Fall gewährleistet, dass sie im Zusammenhang mit einer „schweren Straftat“ innerhalb dieses Zeitraums gebraucht werden könnten, ermöglicht § 96 TKG die Erhebung und Verwendung der für das Herstellen und Aufrechterhalten einer Telekommunikationsverbindung notwendigen Verkehrsdaten und hat damit zunächst einen rein technischen Zweck. Eine konkrete Speicherfrist wird nicht bestimmt, vielmehr sind die Daten laut Vorschrift ?unverzüglich nach Beendigung der Verbindung zu löschen?.

Für die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs gemäß § 101 UrhG sind ausschließlich die Daten relevant, die aus Verbindungstechnischen Gründen gespeichert werden. Auf nach §§ 113a, 113 b TKG erfasste Daten wird hierbei nicht zurückgegriffen.

Ergebnis

Die Nichtigkeit der §§ 113a, 113b TKG und § 100g StPO hat keine Auswirkungen auf den Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 9 UrhG. Abmahnungen wegen urheberrechtsverletzendem Filesharing wird es auch nach dem Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung in gewohnter Weise geben.

© 2010 stud. Iur. Karolin Ernst / Dr. Bernhard Knies


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