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Nach einer aktuellen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) stellt das Zeigen von Fernsehsendungen in einem Reha-Zentrum eine öffentliche Wiedergabe dar und ist daher vergütungspflichtig (Urt. v. 31.05.2016, Az. C‑117/15 – Reha Training/GEMA).

Sachverhalt

Die Reha Training Gesellschaft für Sport- und Unfallrehabilitation (Reha Training) betreibt ein Rehabilitationszentrum. In den Warte- und Trainingsräumen waren Fernseher aufgestellt, über die die Patienten Fernsehsendungen ansehen konnten. Eine entsprechende Erlaubnis bei der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) war von Reha Training nicht eingeholt worden.

Die GEMA klagte daraufhin vor dem Amtsgericht (AG) Köln auf Zahlung von Schadensersatz. Das Amtsgericht gab der Klage statt, da es sich bei dem Zeigen der Fernsehsendungen um eine öffentliche Wiedergabe i.S.d. § 15 Abs. 2 UrhG handle. Das Landgericht (LG) Köln als Berufungsinstanz setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentscheidung vor (Beschl. v. 20.02.2015 – 14 S 30/14).

Entscheidung des Gerichts

Der EuGH hat zunächst festgestellt, dass in Sachverhalten, in denen nicht nur die Rechte von Urhebern (z.B. Komponisten, Textdichter), sondern auch die Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller betroffen seien, neben der Richtlinie 2001/29/EG (InfoSoc-Richtlinie) auch die Richtlinie 2006/115/EG (Vermiet- und Verleihrechts-Richtlinie) Anwendung finde. Dabei sei der in Art. 3 InfoSoc-Richtlinie sowie in Art. 8 Vermiet- und Verleihrechts-Richtlinie verwendete Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ gleich auszulegen.

Eine Wiedergabe sei nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dann öffentlich, wenn eine unbestimmte Zahl von Adressaten und viele Personen erreicht würden.

Eine unbestimmte Anzahl von Personen liege vor, wenn die Wiedergabe nicht auf besondere Personen beschränkt sei, die einer privaten Gruppe angehörten.

Viele Personen seien noch nicht bei einer allzu kleinen oder gar unbedeutenden Mehrzahl von Personen betroffen. Dabei sei die kumulative Wirkung zu berücksichtigen, die sich daraus ergebe, dass die Werke gleichzeitig oder nacheinander den möglichen Adressaten zugänglich gemacht würden.

Schließlich müsse das Werk einem neuen Publikum zugänglich gemacht werden, das der Rechteinhaber bei der Zustimmung zur ursprünglichen Nutzung noch nicht berücksichtigt habe.

Dass die Wiedergabe zu Erwerbszwecken erfolge, sei für eine öffentliche Wiedergabe nicht erforderlich. Werde daraus aber ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen, etwa weil dadurch die Attraktivität und damit die Frequentierung der Einrichtung gesteigert werde, so sei dies bei der Bestimmung der für die Nutzung zu zahlenden Vergütung zu berücksichtigen.

Für den konkreten Fall ist der EuGH von einer öffentlichen Wiedergabe ausgegangen. Bei den Patienten des Reha-Zentrums handle es sich um Personen allgemein und keinen allzu kleinen Personenkreis, da die Patienten an mehreren Orten der Einrichtung gleichzeitig die ausgestrahlten Fernsehsendungen sehen könnten. Ein neues Publikum liege ebenfalls vor. Das Zeigen der Fernsehsendungen weise zudem einen gewerblichen Zweck auf. Die Wiedergabe habe zwar keine medizinische Bedeutung, wirke sich aber als zusätzliche Dienstleistung positiv auf die Attraktivität der Einrichtung aus.

Bewertung

Der EuGH hatte bereits in früheren Entscheidungen eine öffentliche Wiedergabe angenommen, wenn der Betreiber einer Gastwirtschaft (Urt. v. 04.10.2011 – C-403/08, C-429/08 – FAPL u.a./QC Leisure u.a., Murphy/ Media Protection Services), eines Hotels (Urt. v. 07.12.2006 – C‑306/05 – SGAE/Rafael Hoteles) oder einer Kureinrichtung (Urt. v. 27.02.2014 – C-351/12 – OSA/Léčebné lázně) seinen Gästen Radio- oder Fernsehempfänger zur Wiedergabe von Sendungen zur Verfügung stellt.

Für den Fall, dass ein Zahnarzt in seiner Praxis Radiosendungen abspielt, wurde eine öffentliche Wiedergabe hingegen verneint (Urt. v. 15.03. 2012 – C-135/10 – SCF/Del Corso). Die Patienten des Zahnarztes seien keine unbestimmte Anzahl von Personen, da es sich um eine weitgehend stabile Zusammensetzung handle und andere Personen grundsätzlich keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Auch werde keine Mehrzahl von Personen erreicht, da i.d.R. immer nur wenige Patienten in der Praxis anwesend seien und die gesendeten Musikstücke wechselten, sodass auch nachfolgende Patienten nicht das gleiche Stück hörten. Weiterhin werde auch kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt, da ein Zahnarzt allein wegen des Abspieles von Radiosendungen keine Erweiterung des Patientenbestands erwarten oder eine höhere Vergütung für seine Leistungen verlangen könne.

An dieser „Zahnarzt-Rechtsprechung“ scheint der EuGH auch weiterhin festzuhalten, da das Urteil in der aktuellen Entscheidung zur Abgrenzung herangezogen wird. Tatsächlich dürfte jedoch kein Unterschied darin bestehen, ob urheberrechtliche geschützte Inhalte in einer Zahnarzt-Praxis oder einem Reha-Zentrum wiedergegeben werden.


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