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EuGH, Urteil vom 16.2.2012 C-360/10 (SABAM – Netlog), GRUR 2012, 382

Mit seinem SABAM Netlog Urteil hat der EuGH ein teils stark kritisiertes Urteil gefällt (vgl. etwa Becker, ZUM 2012, 311 ff.), in dem der Gerichtshof denkbare Überwachungspflichten des Betreibers eines sozialen Netzwerkes in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen seiner Mitglieder thematisiert. Das Urteil ist unter mehreren Gesichtspunkten bemerkenswert und dürfte für künftige Haftungsfragen eine erhebliche Rolle spielen. Die Entscheidung sollte im Zusammenhang mit dem Scarlet Urteil des EuGH aus dem November 2011 gesehen werden (GRUR 2012, 265), in dem der EuGH bereits allgemeine Überwachungspflichten eines Access Providers abgelehnt hatte.

1. Ausgangspunkt und Parteien des Rechtsstreits

Urheberrechtsverletzungen von Usern in sozialen Netzwerken wie Facebook oder hier dem belgischen Netzwerk Netlog sind heute an der Tagesordnung. Mitglieder laden Bilder, Musik und Texte auf ihren Profilen hoch und teilen diese mit anderen. Meist fehlen Ihnen aber hierfür die notwendigen Urheberrechte. Parteien des Rechtsstreites waren hier einerseits das belgische Pendant der GEMA, also die Wahrnehmungsgesellschaft der Komponisten und Textdichter SABAM und andererseits das soziale Netzwerk Netlog. SABAM hatte massenhafte Urheberrechtsverletzungen im sozialen Netzwerk Netlog beanstandet und versucht, Netlog für die Urheberrechtsverletzungen seiner Mitglieder haftbar zu machen.

2.

In der Vorlagefrage, die der Entscheidung des EuGH zugrunde liegt, hatte das nationale Gericht dem EuGH die Frage gestellt, ob es mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, wenn dem Betreiber eines sozialen Netzwerkes durch einen Mitgliedstaat die Verpflichtung auferlegt würde, die gesamte Kommunikation seiner Mitglieder auf eigene Kosten, präventiv auf Urheberrechtsverletzungen zu kontrollieren um solche Verletzungen zu verhindern.

Die Breite der Vorlagefrage macht klar, dass sie vom EuGH letztlich nur mit einem „Nein“ beurteilt werden konnte.

Unter Ziffer 27 der Entscheidungsgründe stellt der EuGH zunächst einmal klar, dass die Betreiber eines sozialen Netzwerkes rechtlich betrachtet als Hosting Anbieter im Sinne des Art. 14 der ECommerce Richtlinie (Richtlinie 2000/31) zu bewerten sind. Diese Beurteilung erscheint rechtlich konsequent, weil die Netzwerke ja ihren Mitgliedern in der Tat ähnlich wie andere Host-Dienstleister eigenen Speicherplatz zur Verfügung stellen.

Diese Bewertung des Betreibers eines sozialen Netzwerkes gibt dem EuGH die Entscheidung letztlich vor. Denn in Art. 15 Abs. 1 der ECommerce Richtlinie findet sich ein Verbot einer allgemeinen Überwachungspflicht. Die Hosting Provider können also vom nationalen Gesetzgeber eben gerade nicht zu einer allgemeinen Überwachung verpflichtet werden. Hier bezieht sich der EuGH auf seine kurz zuvor gefällte Entscheidung in Sachen Scarlet (Ziffer 38 des Urteils).

Weiter findet sich im Urteil noch eine ergänzende Grundrechtsabwägung: Das Grundrecht am Geistigen Eigentum der Urheber wird vom EuGH mit dem Grundrecht der Unternehmerischen Freiheit des Betreibers des Netzwerkes aus Art. 16 der Charta (Charta der Grundrechte der Europäischen Union), sowie mit den Grundrechten der Nutzer des Dienstes auf den Schutz ihrer persönlichen Daten aus Art. 8 und 11 der Charta abgewogen. Beide Abwägungen gehen hier zu Lasten der Urheberrechte, wobei natürlich nochmals berücksichtigt werden sollte, dass die dem EuGH gestellte Vorlagefrage (aus Sicht der Urheber sicherlich unglücklich) denkbar weit gewesen ist und eben die präventive generelle Überwachungspflicht zum Thema hatte.

Das Urteil überläßt es also letztlich den Mitgliedstaaten unter Abwägung der Grundrechte der Charta ausgewogene Regelungen zu finden.

3.

Das Urteil war auch Gegenstand eines vorzüglichen Vortrages von Prof. Dr. Verica Trstenjak, Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union vom 31. Mai 2012 im Münchner Max Planck Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht. Dabei verlieh die Referentin begrüßenswerterweise ihrer Hoffnung Ausdruck, dass eine Verpflichtung zur Überwachung im Internet ganz generell die Ausnahme bleiben solle.


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