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Das OLG Brandenburg hat geurteilt, dass sich der Betroffene einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Internet auf den sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“ gemäß § 32 ZPO berufen kann, wenn eine bestimmungsgemäße Kenntnisnahme an jedem Ort in der Bundesrepublik gleich wahrscheinlich ist und kein Bezug zu einem bestimmten Ort vorliegt (Urteil v. 28.11.2016, Az. 1 U 6/16).

Sachverhalt

Die Beklagte ist Admin-C , also administrative Ansprechpartnerin, für eine Internet-Domain auf der persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen verfügbar waren, die man nach Eingabe des Namens des Klägers in einer Suchmaschine finden konnte. Dabei handelte es sich unter anderem um folgende Aussagen: „Geschäftsführer ist ein (…), der zuvor bis 2011 Geschäftsführer der (fast vor die Wand gefahrenen) (…) GmbH war“, „So mancher Kunde, der einen dieser Gutscheine einlöste, geriet in eine Abofalle“ sowie „(…) ist äußerst kriminell in diesen Dingen“. Der Kläger nahm die Beklagte auf Unterlassung dieser Anzeigen vor dem Landgericht Potsdam in Anspruch und berief sich dabei auf die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstands. Die Beklagte verteidigte sich unter anderem mit der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gegen die Klage.

Entscheidung der 1. Instanz

Das Landgericht Potsdam hat die Klage zunächst abgewiesen und dies darauf gestützt, dass das Gericht örtlich unzuständig sei. Die Regelung des § 32 ZPO, wonach für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig ist, in welchem die Handlung begangen ist, sei eng auszulegen. Die bundesweite Abrufbarkeit einer Verletzung im Internet genüge zur Begründung der Zuständigkeit demnach nicht. Vielmehr müsse zur Begründung einer Zuständigkeit nach § 32 ZPO die Kenntnisnahme der streitgegenständlichen Aussagen am Ort des angerufenen Gerichts erheblich näher liegen als dies aufgrund einer bloßen generellen Abrufbarkeit der Fall sei.

Entscheidung des OLG Brandenburg

Das OLG Brandenburg hat im Berufungsverfahren die Anwendbarkeit des fliegenden Gerichtsstands bejaht, das Urteil des LG Potsdam aufgehoben und die Angelegenheit zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das OLG Brandenburg stellte fest, dass das LG Potsdam gemäß § 32 ZPO für die Entscheidung über die Klage zuständig sei, da ein Erfolgsort der unerlaubten Handlung in seinem Bezirk liege und damit ein ausreichender Anknüpfungspunkt für die Begehung der Tat liegt.

Erfolgsort sei der Ort, an welchem – unabhängig vom Schaden – der Verletzungserfolg eintritt. Daher bestünde für die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Presse und Fernsehen nach überwiegender Auffassung gemäß § 32 ZPO ein fliegender Gerichtsstand.

Dies sei zwar bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet streitig. Fraglich sei, ob bei Verletzungen im Internet ein darüber hinausreichender hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk hinzukommen müsse.

Das OLG Brandenburg betont unter Bezugnahme auf die BGH Rechtsprechung weiter, dass eine Differenzierung zwischen der Verbreitung von Presseerzeugnissen und dem Abruf über das Internet auch auf nationaler Ebene notwendig ist und in letztgenanntem Fall eine Begrenzung auf Gerichtsstände geboten ist, in deren Zuständigkeitsbereich eine Interessenkollision wahrscheinlich ist.

Nach Auffassung des OLG Brandenburg ist an die bestimmungsmäßige Abrufbarkeit und damit die bestimmungsmäßige Auswirkung der beanstandeten Inhalte anzuknüpfen um eine völlige Sinnentleerung des § 32 ZPO und die beliebige Wahl des Gerichtsstandes sowie die Gefahr eines Missbrauchs bei der Wahl des Gerichtsstandes zu verhindern.

Maßgeblich komme es darauf an, inwieweit aufgrund objektiver Kriterien anhand Darstellung und Inhalt der einzelnen Internetseiten ein bestimmter Wirkungskreis festgestellt werden kann. Eine Einschränkung der Zuständigkeit komme etwa dann in Betracht, wenn der streitgegenständliche Internetinhalt einen klaren lokalen oder regionalen Bezug aufweist. Ein solcher Bezug bestünde im vorliegenden Fall gerade nicht.

Allein der Umstand, dass dies in der Praxis dazu führt, dass im Falle beanstandeter Veröffentlichungen im Internet sämtliche Amts- und Landgerichte der Bundesrepublik Deutschland örtlich zuständig sind, rechtfertige eine weitergehende Einschränkung des § 32 ZPO nicht, so das OLG Brandenburg weiter.

Auch könne dahingestellt bleiben, ob im Bezirk des LG Potsdam eine konkrete Auswirkung der behaupteten Rechtsverletzung festzustellen sei, da der „Taterfolg“ der rufschädigenden Äußerung bereits durch die Mitteilung an jeden bestimmungsgemäßen Empfänger und nicht erst durch die Kenntnisnahme des Klägers verwirklicht sei.

Bewertung

Das OLG Brandenburg beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob der „fliegende Gerichtsstand“ für Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet gilt. Dabei stellt das OLG fest, dass nicht zwingend ein fliegender Gerichtsstand gegeben sein muss.

Vielmehr kommt eine bundesweit örtliche Zuständigkeit nicht in Betracht, wenn aufgrund der Darstellung oder des Inhaltes ein deutlicher Bezug zu einem bestimmten Ort vorliegt. Das OLG Brandenburg urteilt hier ähnlich, wie etwa auch das Landgericht München I das in ständiger Rechtsprechung einen fliegenden Gerichtsstanden dann ablehnt, wenn sich ein deutlicher Bezug zu einem lokalen Ort ergibt, das Interesse an der Berichterstattung also nur lokal ist.

Fehlt ein solcher Bezug, so auch das OLG Brandenburg, so ist die bestimmungsgemäße Kenntnisnahme des verletzenden Inhaltes an jedem Ort in der Bundesrepublik als gleich wahrscheinlich anzusehen und der Kläger darf jeden Gerichtsort wählen, sofern dies nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Der Entscheidung des OLG Brandenburg ist zuzustimmen. Für die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Presseerzeugnissen und Fernsehsendungen gilt der fliegende Gerichtsstand für jeden Ort, an dem die Druckschrift verbreitet und die Sendung ausgestrahlt wird.

Seit langem ist nicht unstreitig, ob dieser Grundsatz ohne Einschränkungen auch für Rechtsverletzungen im Internet gilt. Der Unterschied liegt hier nämlich vor allem darin, dass Internetbeiträge regelmäßig nicht wie Presseerzeugnisse verbreitet, sondern „zum Abruf“ bereitgestellt werden und der Abruf eben nicht überall gleich wahrscheinlich ist. Vor allem der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit spricht für eine weite Auslegung des § 32 ZPO zugunsten des Betroffen. Denn § 32 ZPO soll es dem Betroffenen gerade erleichtern, einen Prozess zu führen, wohingegen derjenige, der sich bundesweit äußert, auch das damit verbundene Risiko tragen muss.

Dennoch fordert die überwiegende Auffassung eine einschränkende Auslegung des § 32 ZPO, um eine Sinnentleerung und die Gefahr des Missbrauchs bei der Gerichtsstandswahl zu verhindern.

Die Bezugskriterien zur Einschränkung des § 32 ZOP sind zwar streitig, jedoch wird der weit überwiegenden Auffassung gefolgt, wonach an die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit und damit die bestimmungsgemäße Auswirkung der beanstandeten Inhalte anknüpft. Im vorliegenden Fall hat das OLG Brandenburg weder aufgrund des Inhalts noch der Umstände der Veröffentlichung einen erkennbaren regionalen Bezug feststellen können, sodass eine Kenntnisnahme an jedem Ort gleichermaßen wahrscheinlich ist und damit der fliegenden Gerichtsstand nach § 32 ZPO Anwendung zu finden hatte.

 


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