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LG Frankenthal – Fehlende Beteiligung des Resellers bei Auskunftsverfahren zur Ermittlung des Anschlussinhabers führt in Filesharing Fällen zu Beweisverwertungsverbot

Das Landgericht (LG) Frankenthal hat entschieden (Urt. v. 11.08.2015, 6 O 55/15), dass in Fällen, in denen der Internetprovider nicht auch zugleich der Netzbetreiber ist, sondern als Reseller Internetdienstleistungen an Endkunden weiterverkauft, dieser zwingend an dem Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG zu beteiligen ist. Wird dies unterlassen, so besteht in einem späteren Verfahren ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der aufgrund des Auskunftsverfahrens erteilten Auskünfte.

In dem von dem LG Frankenthal zu entscheidenden Sachverhalt war die Kläger Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Vertriebsrechte eines Computerspiels, welches über den Internetanschluss des Beklagten auf einer Filesharing-Plattform zum Download angeboten wurde. Der Internetanschluss wurde dem Beklagten von der 1&1 Internet AG zur Verfügung gestellt, die dafür auf das Netz der Deutschen Telekom AG zurückgriff. Auf Antrag der Klägerin wurde vor dem LG Köln ein Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG zur Ermittlung des Anschlussinhabers betrieben, an dem zwar die Deutsche Telekom AG, nicht aber die 1&1 Internet AG beteiligt wurde. Daraufhin wurde der Klägerin die entsprechende Auskunft durch die Deutsche Telekom AG erteilt. Über die rka Rechtsanwälte wurde gegenüber dem Beklagten eine Abmahnung wegen Filesharings ausgesprochen. Der Beklagte wurde später von der Klägerin vor dem LG Frankenthal auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das LG Frankenthal hat in seiner Entscheidung offengelassen, ob die Klägerin tatsächlich Inhaberin der geltend gemachten Rechte sei, die IP-Adresse richtig ermittelt wurde, tatsächlich eine vollständige und lauffähige Version des Computerspiels verfügbar gewesen sei und ob eine Haftung des Beklagten als Störer vorliege. Die Klage sei schon deshalb abzuweisen, da eine Verwertung der aus dem Verfahren vor dem LG Köln erlangten Auskünfte nicht zulässig sei. Dies ergebe sich daraus, dass nur die Deutsche Telekom AG als Netzbetreiberin, nicht jedoch die 1&1 Internet AG als Vertragspartnerin des Beklagten an dem Verfahren beteiligt wurde. Nach § 101 Abs. 2 UrhG sei das Auskunftsverfahren gegen den Dienstleister des Verletzers zu richten. Die Auskunftserteilung durch die Deutsche Telekom AG sei daher ohne rechtliche Grundlage erfolgt. Daraus ergebe sich ein Beweisverwertungsverbot, eine rechtmäßige Auskunft für den Rechteinhaber wäre ohne weiteres möglich gewesen. Weiterhin sei eine sanktionslose Umgehung der Regelung aus § 101 Abs. 9 UrhG mit dem Schutzgedanken der Norm nicht zu vereinbaren.

Ähnlich hatten in der Vergangenheit auch bereits das Amtsgericht (AG) Koblenz (Urt. v. 09.01.2015 – 411 C 250/14) sowie das AG Staufen im Breisgau (Urt. v. 30.06.2015 – 2 C 296/14) entschieden.

Den genannten Entscheidungen ist beizupflichten.

Nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG richtet sich der Auskunftsanspruch bei Urheberrechtsverletzungen auch gegen diejenige Person, die in gewerblichem Ausmaß die für die rechtsverletzende Tätigkeiten genutzten Dienstleistungen erbracht hat. Dies wird insbesondere bei Rechtsverletzungen im Internet relevant, wo zwar die IP-Adresse des Verletzers, nicht jedoch dessen Anschrift bekannt ist. Für die Zuordnung des Anschlusses muss sich der Rechteinhaber dann an das Unternehmen wenden, das dem Verletzer den Internetzugang zur Verfügung gestellt hat. Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten i.S.d. § 3 Nr. 30 TKG erteilt werden, so ist nach § 101 Abs. 9 UrhG vor Erteilung der Auskunft durch den Auskunftsverpflichteten eine richterliche Gestattung erforderlich.

Die Ermittlung des Anschlussinhabers bei Beteiligung eines Resellers erfolgt dabei in zwei Schritten:

Zunächst muss der Netzbetreiber über die IP-Adresse des Verletzers die Benutzerkennung des von ihm verwendeten Anschlusses ermitteln. Da die häufig verwendeten dynamischen IP-Adressen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den Verkehrsdaten gehören (Beschl. v. 19.04.2012 – I ZB 80/11 – Alles kann besser werden), ist hierfür i.d.R. eine richterliche Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG erforderlich

Anschließend wird anhand der Benutzerkennung durch den Reseller die Person ermittelt, der der Anschluss zuzuordnen ist. Da auch die Benutzerkennung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 TKG unter die Verkehrsdaten fällt, wird hierfür ebenfalls eine richterliche Gestattung benötigt.

Wird nur eine richterliche Gestattung für die Auskunftserteilung durch den Netzbetreiber eingeholt, so erfolgt die anschließende Auskunft durch den Internetprovider ohne Gestattung und damit rechtswidrig.

Ob für rechtswidrig erlangte Beweise ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BGH anhand einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden (Urt. v. 10.12.2002 – VI ZR 378/01). Die Auskunftserteilung ohne Gestattung stellt einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) des Anschlussinhabers dar. Auf Seiten des Rechteinhabers ist dessen Eigentumsrecht (Art. 14 GG) betroffen. Zu beachten ist jedoch auch, dass das Auskunftsverfahren gegenüber dem Reseller auch noch nachgeholt werden kann und der Rechteinhaber damit durch ein Beweisverwertungsverbot nicht schutzlos gestellt werden würde. Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des Verletzers überwiegen und ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen.


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