LG Köln – Fliegender Gerichtsstand bei Filesharing auch (wieder) für Privatpersonen
Das Landgericht (LG) Köln hat entschieden (Beschl. v. 06.05.2015 – 14 O 123/14), dass beim Anbieten von 3 Computerspielen über einen Zeitraum von 3 Monaten auf einer Filesharing-Plattform eine gewerbliche Tätigkeit anzunehmen ist. Damit findet der sog. fliegende Gerichtsstand Anwendung, sodass nicht das Gericht des Wohnsitzes des Verletzers, sondern jedes Gericht in Deutschland für Klagen aufgrund der Urheberrechtsverletzung örtlich zuständig wäre.
Über den Internetanschluss des Beklagten war am 23. November 2013 durch seinen Sohn ein Computerspiel, an dem der Klägerin die Rechte zustehen, auf eine Filesharing-Plattform eingestellt worden. Daraufhin hatte der Beklagte am 28. Januar 2014 eine Filesharing Abmahnung erhalten und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, keine Computerspiele der Klägerin mehr zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder Dritten dies zu ermöglichen. Am 4. Februar 2014 sowie am 8. März 2014 wurde über den Internetanschluss des Beklagten jedoch jeweils ein weiteres Computerspiel der Klägerin auf einer Tauschbörse angeboten. Die Klägerin hat vor dem LG Köln Klage erhoben, dessen örtliche Zuständigkeit der Beklagte rügte.
Das LG Köln hat sich jedoch in der Sache für zuständig erklärt. Nach § 104 Abs. 1 S. 1 UrhG ist für Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen, die gegen eine natürliche Person gerichtet sind, das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz hat. Dabei handelt es sich um eine Spezialregelung zu § 32 ZPO, wonach das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wurde. Etwas anderes gilt jedoch nach § 104 Abs. 1 S. 1 UrhG dann, wenn die natürliche Person die nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werke oder andere danach geschützten Schutzgegenstände für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet.
Für die Frage, ob ein gewerbliches oder selbständige berufliches Handeln vorliege, sei wie bei der Abgrenzung zwischen Verbraucher (§ 13 BGB) und Unternehmer (§ 14 BGB) darauf abzustellen, ob ein selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt vorliege, wobei die Absicht, Gewinne zu erzielen, nicht erforderlich sei.
Im konkreten Fall habe der Beklagte nach Ansicht des LG Köln gewerblich gehandelt, sodass nicht die Regelung des § 104 Abs. 1 S. 1 UrhG, sondern des § 32 ZPO Anwendung finde. Es läge eine Vielzahl gleichartiger Rechtsverletzungen vor, weil von dem Internetanschluss des Beklagten dreimal ein Computerspiel der Klägerin öffentlich zugänglich gemacht wurde. Dies sei auch nachhaltig geschehen, da nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung durch den Beklagten auch noch weitere Rechtsverletzungen erfolgt seien. Der Beklagte strebe auch mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil an, da er eigene finanzielle Aufwendungen für den gewünschten Erwerb der von dem jeweiligen Tauschpartner kostenfrei bezogenen Werke einspare.
Hinsichtlich der Regelung des § 32 ZPO führte das LG Köln aus, dass bei Urheberrechtsverletzungen im Internet der Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen werde, überall dort sei, wo der Schutzgegenstand bestimmungsgemäß abgerufen werden könne. Dies sei für ein in deutscher Sprache gehaltenes Computerspiel in ganz Deutschland und damit auch im Bezirk des LG Köln der Fall.
Die Entscheidung des LG Köln ist abzulehnen.
Kommt die Regelung des § § 32 ZPO zur Anwendung, so können Klagen ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Beklagten an dem Begehungsort erhoben werden. Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet kann sich der Kläger damit das Gericht innerhalb Deutschlands aussuchen, da die geschützten Inhalte regelmäßig bundesweit abrufbar sind (sog. fliegender Gerichtsstand). Häufig wird dann das Gericht mit der für den Kläger günstigsten Rechtsprechungspraxis gewählt. Ist dies auch noch in räumlicher Hinsicht weit vom Wohnort des Beklagten entfernt, wird diesem die Verteidigung zusätzlich erschwert. Um zu verhindern, dass der Beklagte daher möglicherweise auf für ihn ungünstige Vergleichsangebote eingeht und eine gerichtliche Überprüfung der Angelegenheit unterlässt, wurde durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken im Jahr 2013 zum Schutz der Verbraucher die Regelung des § 104a UrhG eingeführt (BT-Drucks. 17/13429, S. 9 und BT-Drucks. 17/14192, S. 5).
Um dem Sinn und Zweck der Schutzvorschrift des § 104a UrhG gerecht zu werden, ist das Merkmal der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit eng auszulegen. Eine solche Tätigkeit ist daher beim Filesharing nur in Fällen anzunehmen, die über die normale Nutzung einer Tauschbörse zu privaten Zwecken hinausgehen. Dies kann etwa dann der Falle sein, wenn der Nutzer die aus der Tauschbörse heruntergeladenen Dateien anschließend an Dritte verkauft oder er Mitglied einer sog. Release-Group ist, die sich auf die massenhafte Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Inhalten im Internet spezialisiert hat.