Massenabmahnungen von U + C Rechtsanwälten wegen „Streamings“ auf Redtube.com
1. Seit Mitte letzte Woche kursieren zahlreiche Abmahnungen der Regensburger Kanzlei U + C, die an Privatpersonen gerichtet sind. Anders als bei den bisher bekannten Abmahnungen wird den privaten Usern hier vorgeworfen, durch das Streamen – also das bloße Betrachten – von Filmen auf dem US amerikanischen Portal redutbe.com, auf dem vorwiegend pornographische Werke in großem Umfang zum Streaming angeboten werden, eine abmahnfähige Urheberrechtsverletzung begangen zu haben. Sollten sich die von U + C ausgesprochenen Abmahnungen als rechtlich wirksam erweisen, so könnte auf Deutschland eine neue zusätzliche Abmahnwelle ungeahnten Ausmaßes zurollen, die die schon heute bestehenden Mißstände noch erheblich vertiefen würde.
Die User werden in der Abmahnung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert, sowie zur Zahlung eines pauschalen Abgeltungsbetrages von Euro 250,00.
In der Abmahnung heisst es zur inhaltlichen Begründung, das Streamen des betroffenen Films stelle hinsichtlich der technisch notwendigen Zwischenspeicherung eine Vervielfältigungshandlung im Sinne des § 16 UrhG dar, die auch nach §§ 44a und 53 UrhG nicht zulässig sein solle.
2. Rechtliche Bewertung
Dem wird man nach vorläufiger rechtlicher Analyse widersprechen müssen. Zwar ist die Rechtmäßigkeit privaten Streamings in der Literatur umstritten. Die herrschende Meinung bejaht allerdings die Zulässigkeit privaten Streamings. Dem ist beizupflichten.
Die maßgeblichen Vorschriften sind hier § 44a UrhG und § 53 Abs. 1 UrhG. § 44a UrhG regelt „vorübergehende Vervielfältigungshandlungen“, § 53 Abs 1 UrhG die Privatkopie.
§ 44a UrhG beruht auf der für die Mitgliedstaaten zwingenden Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zur Informationsgesellschaft (RL 2001/29/EG) und ist insofern richtlinienkonform auszulegen. In Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie hat der europäische Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung für vorübergehende technisch bedingte Vervielfältigungshandlungen kodifiziert, die jedenfalls dann zulässig sind, wenn es sich um „rechtmäßige Nutzungen“ handelt.
Der Erwägungsgrund (33) zur Richtlinie definiert „rechtmäßige Nutzungen“ als solche, die vom Rechteinhaber zugelassen bzw. nicht durch die Gesetze beschränkt sind. Damit müssen die weiteren Schrankenbestimmungen des UrhG geprüft werden. Art. 5 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie zur Informationsgesellschaft läßt dem nationalen Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum für die Regelung der Privatkopie, den der deutsche Gesetzgeber in § 53 Abs. 1 UrhG genutzt hat. Damit kommt es nach dem jeweiligen nationalen Recht darauf an, wie der jeweilige Gesetzgeber die Privatkopie ausgestaltet hat.
Nach § 53 Abs. 1 UrhG sind jedenfalls solche privaten Vervielfältigungen rechtmäßig, die auf nicht „offensichtlich rechtswidrigen“ Vorlagen beruhen. Es kommt also darauf an, ob für den Verbraucher ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, dass die Vorlage rechtswidrig ist.
Das muss im Online Bereich aus der Sicht von Verbrauchern restriktiv bewertet werden, weil man Verbrauchern letztlich nicht zumuten kann, einzelne Inhalte auf deren Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Für die Bewertung der Rechtmäßigkeit des privaten Streamings dürfte es also drauf ankommen, ob für den Nutzer klar erkennbar ist, ob ein Portal (wie etwa das geschlossene kino.to) insgesamt nur rechtswidrige Inhalte verbreitet, oder ob auf dem Portal überwiegend rechtmäßig eingestellte Inhalte vorhanden sind. Die Nutzung von Portalen wie youtube.com oder eben auch redtube.com kann schon vor dem Hintergrund für den User nicht rechtswidrig sein, weil dort eben Rechteinhaber auch selber massenhaft legal Inhalte einstellen.
3. Der Vorlagebeschluss des OGH in Sachen kino.to UPC
Mit Beschluss vom 11.5.2012 in Sachen kino.to / UPC hat der österreichische OGH dem EuGH unter anderem auch die hier relevante Frage vorgelegt, ob das private Streaming durch Verbraucher zulässig ist. Ob der EuGH die im Beschluss leider nur subsidiär gestellte Frage beantworten wird, ist allerdings nicht sicher.
4. Handlungsvorschlag
Vor einem gesetzgeberisch möglicherweise erforderlichen Handeln sollte zunächst abgewartet werden, ob sich der EuGH zur Zulässigkeit privaten Streamings äußert. Zudem wird es auf die Entscheidungen der Instanzgerichte zur Wirksamkeit der Abmahnungen ankommen. Die betroffenen abgemahnten Verbraucher haben nach dem neu eingeführten § 97a Abs. 4 UrhG in jedem Fall auch das Recht, eigene Anwaltskosten gegenüber unberechtigten Abmahnung wie mutmaßlich der von U + C ausgesprochenen Abmahnung gegenüber dem dort abmahnenden Rechteinhaber geltend zu machen. Auf diese Weise könnte eine rasche Klärung der Wirksamkeit der aktuellen U + C Abmahnung erreicht werden.
Die Problemstellung hat Dr. Bernhard Knies in einem ausführlichen wissenschaftlichen Aufsatz weiter vertieft („Redtube.com: Kann den Streamen Sünde sein?“ Aufsatz in Computer und Recht (CR 1/2014, S. 140 ff.).
Der Bayerische Rundfunk Redaktion Abendschau hat dazu ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Knies vom 19. Dezember 2013 veröffentlicht, das hier eine Woche lang (legal!) gestreamt werden konnte.
Sollten auch Sie eine Abmahnung von U + C erhalten haben, so rufen Sie uns einfach an: 089 472433, wir bieten dazu eine kostenlose telefonische Erstberatung an.
München 11. Dezember 2013
News zum Thema Red Tube Fall:
21.03.2015: Mit Beschluss vom 24.01.2014 (209 O 188/13) hat das LG Köln festgestellt, dass die irrtümlich erteilten Auskunftsbeschlüsse auf einer rechtswidrigen Täuschung durch die Antragsteller beruhten. Es neigt nunmehr zu der auch hier vertretenen Auffassung, dass ein privates Streaming aus einer nicht offensichtlich rechtswidrigen Quellen keine Urheberrechtsverletzung darstellt.