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Der 15. Zivilsenat des OLG Köln hat in seinem Urteil vom 21.06.2016 (Az. 15 W 32/16) die sofortige Beschwerde des türkischen Staatspräsidenten Recep Erdogan gegen den kürzlich ergangenen Beschluss des LG Köln (Bs. v. 10.05.2016, Az. 28 O 126/16) zurückgewiesen und damit bestätigt, dass ihm kein Unterlassungsanspruch gegen den Vorstandsvorsitzenden des Springer Verlags, Herrn Mathias Döpfner, zusteht.

Sachverhalt

Der Springer-Chef hat auf der Internetseite „Die Welt“ in einem „offenen Brief“ seine Solidarität mit Jan Böhmermanns Schmähgedicht bekundet und gleichzeitig herbe Kritik an der Kunst- und Satirefreiheit in Deutschland geübt. Insbesondere beanstandete er, dass sich die Toleranz bezüglich beleidigender Satire an dem Adressaten der Satire orientiert. Als Beispiel führte er an, dass Satire, sobald sie sich gegen die katholische Kirche richte, nicht respektlos und verletzend genug sein könne, sobald sich die Satire jedoch gegen den türkischen Staatspräsidenten richte, die Toleranzgrenze erstaunlich gering sei. Um seiner Kritik Ausdruck zu verleihen, erklärte er in einem „PS“, „er wolle sich vorsichtshalber allen Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie sich in jeder juristischen Form zu eigen machen“.

 Daraufhin beantragte Erdogan – wie zu erwarten – eine Unterlassungsverpflichtung gemäß §§ 1004 I, 823 I BGB, Art 1 I, Art. 2 I GG bzw. §§ 1004 I, 823 II BGB i.V.m. §§ 103, 185 ff. StGB im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO beim Landgericht Köln.

Das Gericht wies den Antrag des Staatspräsidenten jedoch mit der Begründung zurück, dass der angegriffene „offene Brief“ des Springer-Chefs von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG gedeckt sei.

Rechtliche Begründung im Einzelnen

Sowohl das Landgericht Köln, wie auch das OLG Köln, das sich der Auffassung des LG Köln anschloss, bewerteten den „offene Brief“ rechtlich wie folgt:

  • Die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I GG umfasst insbesondere auch die Freiheit, sich in einem kontroversen Meinungskampf um die Zulässigkeit der Äußerung eines Dritten, diesem öffentlich solidarisch zu Seite zu stellen und die Äußerung des Dritten als zulässig zu erachten. Der „offene Brief“ des Springer-Chefs wird eben als eine solche Stellungnahme zur rechtlichen Zulässigkeit des Beitrages von Jan Böhmermann beurteilt.
  • Ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verbreitung von Drittäußerungen kommt nur in Betracht, wenn der Äußernde sich diese im presserechtlichen Sinn „Zu-Eigen-macht“ (BGH, Urteil v. 17.11.2009, Az. VI ZR 226/08). Dies kann dann bejaht werden, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingeführt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint. In vorliegendem Fall hat Herr Döpfner die fremde Äußerung aber nicht einmal wiederholt, sondern lediglich darauf Bezug genommen. Der Unterlassungsanspruch setzt jedoch voraus, dass die Fremdäußerung verbreitet oder veröffentlicht wird. Dass Herr Döpfner selbst ausdrücklich erklärt hat, dass er sich die Äußerung „Zu-Eigen-machen“ wolle, ändert nichts daran, solange es an einer öffentlichen Verbreitung fehlt.
  • Weiterhin kann auch in der mittelbaren Verlinkung des „offenen Briefes“ mit einem Video, in dem Jan Böhmermann sein Schmähgedicht verliest, kein „Zu-Eigen-machen“ gesehen werden. Zum einen wird allein durch das Setzen von Links noch keine Haftung begründet (BGH, Urteil v. 18.06.2015, Az. I ZR 74/14). Zum anderen ist in der mehrfach indirekten Verlinkung der ursprünglichen Äußerung keine relevante Verbreitungshandlung zu sehen.
  • Herr Döpfner hat sich auch nicht aufgrund der Wiedergabe des Wortes „Ziegenficker“ einen isolierten Satzteil „Zu-Eigen-gemacht“. Maßgeblich für das Verständnis der Äußerung ist dabei der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines verständigen und unvoreingenommenen Durchschnittspublikums hat (BVerfG, Bs. v. 25.10.2005, Az. 1 BvR 1696/98). Aus dieser Sicht beurteilt, wird das von Herrn Döpfner verwendete Wort aber nur in dem Sachzusammenhang mit dem Schmähgedicht und der Kritik an den unterschiedlichen Maßstäben, die an die Satire gestellt werden, zu sehen sein. Es handelt sich somit nach Ansicht des Gerichts um eine sachbezogene Meinungsäußerung.

Gegen den Beschluss des OLG Köln ist kein Rechtsmittel mehr möglich. Erdogan steht lediglich noch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde zu Verfügung.


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