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Stresemanns Erben erwägen eine Klage gegen die AfD, weil sie durch deren Plan eine parteinahe Stiftung nach Gustav Stresemann zu benennen, dessen postmortales Persönlichkeitsrecht verletzt sehen:

Mitte Dezember wurde in der Öffentlichkeit bekannt, dass die AfD ihre parteinahe Stiftung nach dem ehemaligen Reichskanzler Gustav Stresemann benennen möchte. Nach ihrem „Beutezug“ bei Franz Josef Strauss für ein AfD Wahlplakat, bei dem die AfD dem konservativen CSU Politiker gewiss fälschlich unterstellte, „er würde heute AfD wählen“, „bedient“ sich die AfD jetzt beim politischen Erbe des bedeutenden liberalen Reichskanzlers Gustav Stresemann.

Gustav Stresemann (* 1878 in Berlin † 3.10.1929 ebenda) war ein bedeutender Staatsmann der Weimarer Republik, der wie die FAZ zu Recht hervorhebt, gewiss die Namensgebung einer politischen Stiftung verdient hätte, wenn auch sicherlich nicht die einer AfD-nahen Stiftung. Stresemann war Verfechter einer nationalliberalen Partei. Nach der Gründung der liberalen Deutschen Volkspartei (DVP) wurde er deren Vorsitzender. 1923 wurde Stresemann Deutscher Reichskanzler, später lange Aussenminister. Er war bestrebt, nach der von ihm als entehrend kritisierten Versailler Friedensordnung einen Ausgleich mit den europäischen Mächten auf Basis eines europäischen Friedens zu erzielen. Gegen den Hitler Putsch vom 26. September 1923, der auch den Sturz Stresemanns bezweckte, wehrte er sich politisch vehement. Die NSDAP hetzte in Bayern derweil gegen die „Diktatoren Stresemann / Seeckt“ und verband dies mit antisemitischen Angriffen, da beide Politiker mit Frauen mit jüdischem Hintergrund verheiratet waren. Josef Goebbels bezeichnete Stresemann in seinem Tagebuch vom 21. Oktober 1925 als „vollendeten Lump“, freute sich später bei seinem Tod 1929 darüber, dass der NSDAP ein gewichtiges Hindernis auf dem Weg zur Macht aus dem Weg geräumt sei.

Dass nun ausgerechnet die AfD, deren Mitglieder sich immer wieder gerne mit völkischen Themen bei der NSDAP bedienen, Stresemann als Namenspatron für ihre parteinahe Stiftung missbrauchen möchte, wirkt da fast schon wie ein Hohn der Geschichte.

Der Enkel Stresemanns, Walter Stresemann äußert sich nach Informationen der Zeit schockiert über das Ansinnen der AfD seinen Großvater für deren Parteistiftung zu missbrauchen. Weder seine Schwester noch er seien von der AfD um Erlaubnis gefragt worden, er hätte dies selbstverständlich abgelehnt. Er sei sicher, dass sein Großvater „ausgerastet wäre“ und prüft nun zusammen mit seiner Schwester rechtliche Schritte gegen die AfD. Deren Vorsitzender Alexander Gauland zeigt sich hingegen entspannt, man sehe einer Klage gelassen entgegen, teilte er der Zeit mit. Die Politik Stresemanns passe ideologisch am besten zur AfD, sein Erbe sei bei der AfD gut aufgehoben. Am 19. Januar will der AfD Bundesvorstand nun über die Benennung der Stiftung entscheiden. Die AfD soll kürzlich schon den 2011 gegründeten Verein „Gustav Stresemann Stiftung e.V.“ von dessen Gründern, zwei Jenaer Anwälten übernommen haben, man hat für sie auch schon eine Website mit dem Namen des Politikers eingerichtet.

Doch wie sind die Chancen der Stresemann Enkel rechtlich zu bewerten, der AfD den Namensmissbrauch ihres Großvaters zu untersagen?

In der Rechtsprechung ist heute ein postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts anerkannt. Während der BGH früher davon ausging, dass das Namensrecht mit dem Tode erlösche (BGH 8, 318, 324 – „Pazifist“), hat das Bundesverfassungsgericht im Februar 1971 mit der Mephisto Entscheidung zu Klaus Manns Roman „Mephisto“ erstmals geurteilt, dass auch Verstorbene in ihrem Ansehen auch über den Tod hinaus geschützt sein können (BVerfG v. 24. Februar 1971, – 1 BvR 435/68; = NJW 1971, 1645 ff). Der Erbe von Gustav Gründgens hatten sich gegen dessen Darstellung in Klaus Roman „Mephisto“ gewandt. Das BVerfG hatte die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG) des Autors Klaus Mann mit dem postmortalen Persönlichkeitsrecht von Gustav Gründgens abzuwägen. Das BVerfG kam hier 1971 acht Jahre nach dem Tod zu dem Ergebnis, dass zwar generell ein postmortales Persönlichkeitsrecht Gründgens existiere, dass aber

„mit verblassender Erinnerung an den Verstorbenen die Gefahr einer nachteiligen Einwirkung auf die geschützte Persönlichkeitssphäre geringer werde“ (BVerfG, a.a.O., Rz. 115).

Gründgens wertet das BVerfG zwar als eine Person des allgemeinen Interesses, aber nicht als eine solche der allgemeinen Zeitgeschichte. Gustaf Gründgens sei in einem engeren Bereich des öffentlichen Lebens ihrer Zeit hervorgetreten, sein Persönlichkeitsrecht schwinde nach seinem Tod deshalb rascher, deshalb sei auch die Gefahr einer persönlichkeitsverletzenden Identifizierung von Gustaf Gründgens mit der Romanfigur Hendrik Höfgen geringer (BVerfG, a.a.O, Rz. 114).

Bezieht man diese Wertungen auf den ehemaligen Reichskanzler Stresemann, dann dürften unserer Meinung nach die Chancen der Stresemann Erben durchaus gut sein, gegen die Vereinnahmung ihres Großvaters durch die AfD gerichtlich vorzugehen. Denn Stresemann ist eine Person der allgemeinen Zeitgeschichte. Er hatte eine bedeutende Rolle in der Weimarer Republik als engagierter Streiter gegen die Rechten. Eine Benennung einer AfD nahen Stiftung nach ihm dürfte damit gegen sein postmortales Persönlichkeitsrecht verstoßen. Der Fall könnte am Ende der Instanzen für eine spannende neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sorgen.


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