Abmahnung erhalten? Kostenlose Erstberatung unter 089 472 433

Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München haftet ein Verkäufer auf dem „Amazon Marketplace“ nicht für urheberrechtsverletzenden Produktbilder wenn diese von „Amazon“ zur Verfügung gestellt wurden (Urt. v. 10.03.2016 – 29 U 4077/15 – Angebote mit Lichtbildverknüpfung).

Sachverhalt

Das Unternehmen „Amazon“ bietet interessierten Händlern die Möglichkeit über die Internetseite www.amazon.de als Marketplace-Verkäufer Produkte zu verkaufen. Sie stellt für diesen Zweck eine Produktdatenbank zur Verfügung, in der Text- und Bild-Dateien zur Beschreibung und Darstellung der einzelnen Produkte enthalten sind. Von den Marketplace-Verkäufern eingestellte Angebote werden automatisch mit den dort hinterlegten Informationen verknüpft. Für jedes Produkt existiert eine Produktseite, mehrere Angebote verschiedener Verkäufer zu einem Produkt werden dort nacheinander gelistet.

Die Klägerin stellt Sport- und Freizeitrücksäcke her. Der Beklagte ist Marketplace-Verkäufer und bietet u.a. Produkte der Klägerin an. Diese wurden mit Fotos beworben, an denen die Klägerin angeblich die exklusiven Nutzungsrechte innehat.

Die Klägerin mahnte den Beklagten wegen unberechtigter Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und öffentlicher Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) der Bilder ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Diese gab der Beklagte nicht ab, sondern entfernte lediglich seine Angebote mit den Produkten der Klägerin.

Die daraufhin beim Landgericht (LG) München I durch die Klägerin eingereichte Klage wurde abgewiesen (Urt. v. 09.10.2015 – 21 O 1173/15).

Entscheidung des Gerichts

Das OLG München hat die Entscheidung des LG München I bestätigt, da der Klägerin mangels Urheberrechtsverletzung keine Ansprüche gegen die Beklagte aus § 97 UrhG zustünden.

Die Beklagte habe nicht in das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) der Klägerin eingegriffen. Die Bilder befanden sich bei Erstellung der Angebote durch den Beklagten bereits auf dem Server von „Amazon“ und wurden automatisch mit den Angeboten verknüpft. Dass der Beklagte dabei selbst eine Vervielfältigung vorgenommen habe, konnte durch die Klägerin nicht nachgewiesen werden. Ein entsprechendes Beweisangebot der Klägerin wurde nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, da dies bereits vor dem LG München I hätte erfolgen müssen.

Eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) durch den Beklagten liege ebenfalls nicht vor. Er habe die Fotos nicht selbst eingestellt, diese waren vielmehr schon auf der Produktseite vorhanden. Der Beklagte hätte demnach keinen Einfluss auf die Zugänglichmachung der Fotos gehabt, sodass eine Haftung als Täter ausscheide.

Auch eine zusammen mit „Amazon“ in Mittäterschaft begangene Handlung sei zu verneinen, da dafür ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken erforderlich sei. Die Entscheidung, ob und wie lange die Bilder öffentlich zugänglich gemacht wurden, liege jedoch allein bei „Amazon“.

Der Beklagte hafte auch nicht als Gehilfe. Es sei nicht zu erkennen, wodurch der Beklagte die öffentliche Zugänglichmachung gefördert oder erleichtert haben solle. Weiterhin habe er auch nicht vorsätzlich gehandelt, da er davon ausgehen konnte, dass „Amazon“ die für die öffentliche Zugänglichmachung erforderlichen Nutzungsrechte für die Bilder besitze.

Schließlich scheide auch eine Störerhaftung des Beklagten aus. Als Störer könne derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der zwar nicht Täter oder Teilnehmer der Rechtsverletzung sei, dazu aber in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal beigetragen habe. Erforderlich sei aber zusätzlich die Verletzung von Prüfpflichten. Da für den Beklagten jedoch keine Möglichkeit bestehe, auf eine Entfernung der Bilder bei „Amazon“ hinzuwirken, träfen diesen auch keine Prüfpflichten.

Bewertung

Bisher hat die Rechtsprechung Fehler in der Produktdatenbank von „Amazon“ auch den Marketplace-Händlern zugerechnet und diese als Täter in die Haftung genommen, so etwa bei einer irreführenden Werbung aufgrund Verwendung eines falschen Produktbildes (OLG Hamm, Urt. v. 04.08.2015 – 4 U 66/15) oder Angabe einer nicht mehr bestehenden unverbindlichen Preisempfehlung (OLG Köln, Urt. v. 24.04.2015 – 6 U 175/14).

Während ein Marketplace-Händler noch in der Lage ist, solche Fehler zu erkennen, ist die Frage, ob „Amazon“ auch tatsächlich die Nutzungsrechte für die verwendeten Bilder eingeräumt wurden, weitaus schwieriger zu beantworten. Hierfür wären umfangreiche Nachforschungen erforderlich, die dem Händler nicht zumutbar sind.

Die Entscheidung des OLG München ist daher zu begrüßen. Die Rechteinhaber müssen im Fall einer Urheberrechtsverletzung direkt gegen „Amazon“ vorgehen.

Werden die urheberrechtsverletzenden Bilder hingegen nicht von „Amazon“, sondern von einem Marketplace-Händler eingestellt, so haftet nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des LG Berlin auch „Amazon“ als Täter der Urheberrechtsverletzung (Urt. v. 26.01.2016 – 16 O 103/14, siehe dazu auch unseren Kommentar). Ähnlich hat das Kammergericht (KG) auch bei dem Preisvergleichsportal „Google Shopping“ für Produktbilder der dort aufgelisteten Händler entschieden (Urt. v. 28.09.2015 – 24 U 178/14).

Anmerkung:

In einem von unserer Kanzlei vertretenen Fall hat sich das OLG München jetzt ganz aktuell auch zur Haftung von Verkäufern auf dem Amazon Marketplace für markenrechtsverletzende Suchergebnisse geäußert. Wir werden hierzu berichten.


Diesen Artikel teilen: