Abmahnung erhalten? Kostenlose Erstberatung unter 089 472 433

Der BGH hat am 22. Februar 2018 zu einer der aktuell spannendsten Fragen des Urheberrechts verhandelt: Inwiefern haften Plattformen wie Youtube für Urheberrechtsverletzungen, die durch ihre User begangen worden sind?

Das Ergebnis der Verhandlung steht noch nicht fest, der 1. Zivilsenat des BGH will sich mit der Beurteilung des schwierigen Falles wohl noch etwas Zeit lassen. Eine Entscheidung ist für den 9. Mai 2018 angekündigt.

Hintergrund des Verfahrens BGH I ZR 140/15 Haftung von Youtube

Zuletzt hatte sich die GEMA mit Youtube zu einer ähnlichen Frage einen jahrelangen Rechtsstreit geliefert. Die GEMA hatte dann aber doch davon abgesehen, die Rechtsfrage vom BGH klären zu lassen und sich mit Youtube und Google zuletzt gütlich geeinigt. Zu wackelig war der GEMA wohl ihre Rechtsposition vor dem höchsten deutschen Zivilgericht erschienen.

Jetzt ist es ein deutlich „kleinerer“ Player als die GEMA, der dem BGH per Revision die hochumstrittene Frage nach der Haftung von Plattformen für Rechtsverletzungen ihrer User vorlegt.

Der Sachverhalt des BGH Falles IZR 140/15

Der Kläger ist Musikproduzent und hat nach seinen Angaben 1996 einen Künstlerexklusivvertrag mit der Sängerin Sarah Brightman abgeschlossen. Im November 2008 hat er mit ihr das Studioalbum „A Winter Symphony“ herausgebracht, das sich auch bestens als künftiger Namensgeber einer Entscheidung des BGH eignen würde.

Zeitgleich mit dem Erscheinen des Albums hat Sarah Brightman mit einer Konzerttournee begonnen, auf der das neue Album präsentiert wurde.

Anfang November 2008 erschienen auf Youtube erstmals Konzertmitschnitte von Brightmans „Winter Symphony“ Tournee, die von Konzertbesuchern illegal mitgeschnitten und auf Youtube hochgeladen worden waren. Der Kläger ließ über seinen Anwalt Youtube abmahnen, die daraufhin einen Teil der Videos sperrten. Ende November waren dann aber schon die nächsten Videomitschnitte auf Youtube abrufbar, die wohl von anderen Usern der Plattform hochgeladen worden waren.

Der Produzent und Kläger hat daraufhin Youtube und Google vor dem Landgericht Hamburg verklagt, und Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage in Bezug auf drei Titel stattgegeben und sie ansonsten abgewiesen (LG Hamburg, Urteil v. 3. Septmeber 2010, Az. 308 O 27/09).

Sowohl der Kläger als auch die beiden Beklagten haben gegen das Urteil Berufung zum OLG Hamburg eingelegt. Vor dem OLG Hamburg hat der Kläger weiter beantragt, die Beklagten zur Unterlassung zu verurteilen in Bezug auf zwölf Aufnahmen aus dem Studio-Album, sowie zwölf Musikwerke, die per illegalem Livemitschnitt aufgenommen worden waren. Zudem hat er Auskunft verlangt über die Identität der fraglichen Nutzer von Youtube, die die Songs dort unter Pseudonym hochgeladen hatten. Zuletzt verlangt er auch Schadensersatz von der Plattform. Rechtlich ist dies ein besonders heikler Punkt, weil Schadensersatz im Urheberrecht nur vom Täter einer Urheberrechtsverletzung verlangt werden kann, nicht aber vom Störer.

Das OLG Hamburg hat dem Kläger in Bezug auf sechs weitere Titel Recht gegeben und die Beklagten auch zur Auskunft verurteilt über die Identität der verantwortlichen User. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Den Volltext der ellenlangen Entscheidung des OLG Hamburg finden Sie hier.

Das OLG Hamburg hat Youtube nicht als Täterin oder Teilnehmerin der fraglichen Urheberrechtsverletzungen verurteilt, ist aber zu dem Schluss gekommen, dass Youtube als Störerin zumindest auf Unterlassung hafte. Youtube habe einen Beitrag zur Verletzung der Rechte des Klägers gesetzt, indem es eben gerade nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe um die Rechtsverletzungen zu verhindern. Auf den Hinweis des Klägers hin hätte Youtube nach Auffassung des OLG Hamburgs nicht nur das konkrete Angebot sperren, sondern auch dafür sorgen müssen, dass es nicht mehr zu vergleichbaren Rechtsverletzungen kommt. Die Auskunftsansprüche seien teilweise begründet.

Das Urteil des OLG Hamburg ist fast 160 Seiten lang, im einzelnen war vor Gericht zwischen den Parteien von der Rechteinhaberschaft bis hin zu den dem Produzenten und Tonträgerhersteller abgetretenen Rechten nahezu alles streitig.

Die zentrale Rechtsfrage beim BGH wird aber wohl der Maßstab der Haftungsprivilegierung als Host-Provider aus § 10 TMG sein. Danach sind Plattformen für die Speicherung von Informationen durch einen Nutzer nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Speicherung haben  und sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.

In dieser Eigenschaft wäre Youtube, so das OLG, nicht verantwortlich für im Auftrag eines Nutzers gespeicherte Informationen. Nach der Rechtsprechung des BGH setze diese Privilegierung voraus, „dass der Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt“ (mit Verweis auf BGH GRUR 2014, 180, 181 Tz. 21).

Die Frage der „Kontrolle der gespeicherten Information“ entscheide letztlich über eine etwaige Haftungsprivilegierung. Deshalb sei festzustellen, ob es allein um das Vorhalten von „fremden Informationen“ für einstellende Dritte gehe oder die speichernde Stelle eine intensivere, eigene „Beziehung“ zu diesen Informationen habe, die über den Sachverhalt eines (ausschließlichen) „Hostings“ für Dritte hinausgehe (OLG Hamburg, a.a.O.).

Zur Haftung des Sharehosters Uploaded.net hatte das OLG München zuletzt einen ebenfalls sehr strengen Maßstab an die Störerhaftung des Portals angelegt. Danach muss das Portal sehr sorgfältig alle in Frage kommenden Plattformen eigenständig durchsuchen, auf denen seine Mitglieder Download Links zu illegal eingestellten Inhalten veröffentlichen.

Wie der BGH nun zu Youtube entscheiden wird, darauf darf man gespannt sein. Man wird aber wohl davon ausgehen dürfen, dass der BGH Youtube wohl kaum als Täter der von seinen Usern begangenen Urheberrechtsverletzungen verurteilen wird, aber eben zum Ausgleich auch hier ein strenger Maßstab an die Prüfpflichten angelegt werden wird. Der BGH will seine Entscheidung am 9. Mai 2018 veröffentlichen.

Die aktuelle Diskussion „de lege ferenda“ zur Haftung von Plattformen wie Youtube

Zu der Haftung der von Plattformen hatte schon Mathias Leistner darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung in Deutschland dazu neigt, für die meisten Plattformen wie Youtube eine eigene Nutzungshandlung der Plattform zu verneinen, stattdessen aber den Maßstab der Prüfpflichten der Plattform zu intensivieren (vgl. Leistner Reformbedarf im materiellen Urheberrecht: Online-Plattformen und Aggregatoren, ZUM 2016, 580, 584). Leistner plädiert hier für einen Reformbedarf des Urheberrechts etwa in Form einer Schranke des Urheberrechts in Verbindung mit einem gesetzlichen Vergütungsanspruch(Leistner a.a.O., S. 591, ähnlich Leistner/Metzger, in FAZ v. 3.1.2017, S. 13). Folgte man diesem Vorschlag, dann müssten allerdings Produzenten, wie der hier beim BGH klagende Musikproduzent, es immer tolerieren, dass Nutzer der Plattform Youtube Musik seiner Künstler wie eben die von Sarah Brightman unter Filme und Videos legen und eben auch Livemitschnitte von Konzerten dort veröffentlichen. Als Kompensation bliebe ihm dann nur ein Anspruch auf angemessene Vergütung, der dann wohl von der Plattform also hier Youtube zu bezahlen wäre.

Vorinstanzen:

LG Hamburg – Urteil vom 3. September 2010 – 308 O 27/09

OLG Hamburg – Urteil vom 1. Juli 2015 – 5 U 175/10

Pressemitteilung des BGH Nr. 06/18 v. 09.1.2018


Diesen Artikel teilen: