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Störerhaftung beim Filesharing

Sie haben eine Abmahnung wegen Filesharing bekommen? Die Abmahner verweisen im Text ihrer Abmahnungen immer wieder darauf, dass der Anschlussinhaber auch dann als Störer haftet, wenn er selber nicht getauscht hat. Aber stimmt das so allgemein? Dass das nicht immer der Fall sein muss wollen wir nachfolgend genauer beleuchten, denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinen beiden Grundsatzurteilen „Morpheus“ und „Bearshare“ die gefürchtete Störerhaftung im Interesse der Verbraucher stark eingeschränkt:

1. Problemstellung:

Grundsätzlich gilt:

Mit dem in § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG geregelten urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch können die Rechteinhaber gegen Filesharer ihr legitimes Interesse durchsetzen, dass diese künftig nicht mehr Musik oder andere geschützte Dateien im Internet in Tauschbörsen anbieten. Der Anspruch ist verschuldensunabhängig, das bedeutet, dass er auch dann bestehen kann, wenn dem Anschlussinhaber keine eigene Tauschtätigkeit vorgeworfen werden kann.

Der Gedanke dieser Verschuldensunabhängigkeit liegt darin begründet, dass es gerade im Schutze der Anonymität des Internets häufig nicht möglich ist, Verantwortlichkeiten für eine Rechtsverletzung hinreichend zuzuordnen. Schließlich ist nicht nur der unmittelbar Täter verantwortlich, denn ohne die zugrunde liegende Infrastruktur des Internets, die von Tauschbörsen oder Auktionshäusern bis hin zum bloßen Zurverfügungstellen des Internetzugangs reicht, wäre ein Anbieten und ein korrespondierendes Zugreifen auf ein rechtsverletzendes Angebot nicht denkbar. Doch wie sieht die Rechtsprechung die Störerhaftung des Anschlußinhabers?

Die Gerichte haben für die meisten Konstellationen heute gültige Regeln erarbeitet:

Folgende Konstellationen sind logisch denkbar:

1. Anschlussinhaber hat getauscht: Das ist einfach, denn dann haftet man immer als Täter auf Unterlassung und Schadensersatz.

2. Befugte Benutzer haben getauscht: Familie, Mitbewohner, Arbeitnehmer oder Freunde haben getauscht: Hier ist noch manchen umstritten siehe unten 2.

3. Unbefugte Benutzer haben getauscht: Waren Internet und W-LAN nicht oder schlecht gesichert, dann haftet man meist, siehe unten 3.

2. Störerhaftung für befugte Benutzer

a. Minderjährige Kinder: Störerhaftung von Eltern für ihre Kinder

Eltern haften für ihre Kinder, so heißt es immer an der Baustelle auf dem gelben Schild, aber stimmt das auch im Internet? Ob die Rechteinhaber von Eltern Unterlassung (und in diesem Zusammenhang insbesondere auch Ersatz der Kosten für die Abmahnung) verlangen können, wenn deren Kinder die Rechtsverletzungen begangen haben, war lange Zeit rechtlich stark umstritten. Mit Grundsatzurteil vom 15.11.2012 (BGH I ZR 74/12) hat der 1. Zivilsenat des BGH die Haftung von Eltern für illegale Musikdownloads ihrer Kinder jetzt endgültig abgelehnt, sofern die Eltern ihre Kinder zuvor über das Verbot an einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt haben. Mehr >

b. Volljährige Internetnutzer: Familienmitglieder, Ehegatten, WG-Mitglieder:

Bei erwachsenen Internetnutzern ist die Chance nochmals höher, dass der Anschlussinhaber nicht als Störer haftet. Denn aus dem Urteil des BGH Morpheus folgt, dass man noch nicht einmal für kleine Kinder haftet. Darauf wird man den Umkehrschluss ziehen können, dass für Fehlverhalten von Erwachsenen erst Recht keine Haftung besteht. Ein Urteil des BGH hierzu steht noch aus, ein Fall ist aber derzeit beim BGH anhängig.

Bei einem volljährigen Sohn hat das LG Mannheim mit Urteil vom 29.9.2006 (Az. 7 O 76/06 JurPC Web-Dok. 33/2007) die Meinung vertreten, dass die Eltern nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Kritisch äußert sich auch das OLG Köln beim gemeinsam genutzten Anschluss von Ehegatten (Beschluss vom 24.3.2011, Az. 6 W 42/11), hier gebe es wohl keine Überwachungspflichten.

Die Haftung bejaht dagegen etwa LG Düsseldorf (Urteil vom 27.5.2009, ZUM 2010, 272): Hier heisst es, der Anschlussinhaber muss auch Erwachsene zumindest belehren.

Auch zum Arbeitnehmer gibt es eine Rechtsprechung etwa des Landgerichts München (siehe unten 4.), die aber eine Haftung des Arbeitgebers ablehnt.

3. W-LAN geknackt oder schlecht gesichert

a. W-LAN ohne Passwort

Relativ einheitlich wird die Situation von den Gerichten in Fällen beurteilt, in denen die Betroffenen offene W-LAN-Netzwerke betrieben, die nicht durch Passwörter geschützt waren. Hier nehmen sowohl das LG Hamburg mit Urteil vom 26.7.2006 (Az. 308 O 407/06, MMR 2006, 763), als auch das LG Frankfurt 23 O 771/06 vom 22.2.2007 eine Störerhaftung an (a.A. Urteil des OLG Frankfurt vom 1.7.2008, Az. 11 U 52/07 verneint allerdings auch bei einem offenen W-LAN eine Haftung des Anschlussinhabers.) Das Urteil dürfte aber mit der Entscheidung des BGH „Sommer unseres Lebens“ eindeutig überholt sein.

b. W-LAN schlecht gesichert

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Fallkonstellationen mit dem offenen oder schlecht gesicherten W-LAN mit seinem neuen Urteil abschliessend entschieden. Wer sein W-LAN schlecht oder gar nicht mit einem guten Passwort sichert, der haftet als Störer auf Unterlassung, wenn die Nachbarn das für illegales Filesharing ausnutzen. (BGH I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“, GRUR 2010, S. 633), siehe Analyse des Urteils hier.

c. W-LAN gut gesichert

Im Umkehrschluss zum Urteil des BGH kann man folgern, dass wenn das eigene W-LAN gut nach den Regeln der Kunst zum Einrichtungszeitpunkt gesichert war, keine Störerhaftung besteht. Allerdings muss der Anschlussinhaber hier den oft nicht einfachen Beweis führen, dass sein W-LAN Netz gehackt wurde.

4. Störerhaftung Unternehmen für Arbeitnehmer

Werden große Unternehmen abgemahnt, so liegt es auf der Hand, dass das Unternehmen selber nicht getauscht haben kann. Die Frage, die sich hier stellt, ist ob Unternehmen damit rechnen müssen, dass ihre Angestellten den auf das Unternehmen laufenden Internetzugang für Filesharing Aktivitäten missbrauchen. Das LG München hat das mit Entscheidung vom 4.10.2007 verneint (LG München, MMR 2008, 422 – „Radio Energy“). Solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Mitarbeiter illegal tauschen, muss das Unternehmen nicht damit rechnen, dass über die unternehmenseigenen Internetzugänge Urheberrechtsverletzungen begangen werden (LG München, a.a.O.). Unterlassungsansprüche gegenüber dem Unternehmen, sowie Ansprüche auf Erstattung von Anwaltskosten scheiden also aus. Dennoch kann es aber im Einzelfall Sinn machen, modifizierte Unterlassungserklärungen abzugeben.


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