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Das OLG München hat vor wenigen Tagen die Entscheidung des Landgericht München I 7 O 17752/17 in Sachen Constantin ./. Vodafone wegen der Sperrung des Zugangs zu Kinox.to bestätigt, wenn auch mit einer mutmasslich leicht veränderten rechtlichen Argumentation (OLG München v. 14. Juni 2018, 29 U 732/18).

Nun liegt uns der Volltext der Entscheidung des LG München I Az. 7 O 17752/17 vor: Das Landgericht ist sichtlich bemüht, die Regelung des 3. Gesetzes zur Änderung des TMG in Einklang zu bringen mit dem Ziel, Constantin die Sperrung des Zugangs der Kunden von Vodafone zu Kinox.to zu ermöglichen. Das Landgericht steht hier vor folgendem Problem, das es aber aus unserer Sicht dogmatisch nicht sauber löst:

Zwar hatte ja der BGH in der Entscheidung vom 26.11.2015, Az. I ZR 174/14 – Störerhaftung des Accesss-Providers Grundsätze zur subsidiären Haftung des Access-Providers herausgearbeitet.

Wenig später hat aber der Gesetzgeber § 8 Abs. 1 des TMG geändert, der von seinem Wortlaut her jegliche Haftung des Access-Providers auf Unterlassung ausschließt, somit eben auch eine Störerhaftung auf Unterlassung. In § 8 Abs. 1 S. 2 TMG heisst es jetzt:

„Sofern diese Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz oder Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche.“

Diese Formulierung steht den vom BGH in der Entscheidung I ZR 174/14 entwickelten Grundsätzen der Störerhaftung eines Access-Providers von ihrem klaren Wortlaut und Regelungszusammenhang deutlich entgegen.

Zu Recht verweist das Landgericht auf die europarechtlichen Anforderungen, die es notwendig machen, Ansprüche gegen den Access-Provider aus Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zumindest vorzuhalten. Nicht ganz richtig liegen dürfte das Landgericht aber, wenn es meint, dass die Anwendung der Grundsätze der Störerhaftung auf den Access-Provider rechtlich „geboten sei“ (S. 22 des Urteils).

Ausgangspunkt der europäischen Überlegungen bildet hierbei stets die Regelung des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie zur Informationsgesellschaft.[1] Hier heisst es:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden.“

Die Regelung muss im Kontext zu Abschnitt 4 und den Art. 12 bis 14 der E-Commerce-Richtlinie gelesen werden, die die Haftung der Access-Provider beschränken. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie zur Informationsgesellschaft ist als lex specialis zu sehen, geht also den Art. 12 bis 14 der E-Commerce-Richtlinie vor.[2] Zu den geeigneten Maßnahmen, die nach Art. 8 Abs. 3 gefordert werden können, zählen auch die Entfernung von bestimmten Informationen, oder die Unterbindung des Zugangs zu diesen.[3]

Wie genau der nationale Gesetzgeber diese Haftung also sicherstellt bleibt letztlich ihm überlassen. Der Europäische Gesetzgeber hat jedenfalls die Störerhaftung nicht harmonisiert harmonisiert, so dass Regelungen dazu den Mitgliedstaaten überlassen bleiben.[4]

Das Landgericht behilft sich nun damit, einer denkbaren Europarechtswidrigkeit von § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. dadurch zu begegnen, dass es (entgegen dem klaren Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der Regelung) annimmt, dass sich Art. 8 Abs. 1 S. 2 TMG alleine auf die nach § 7 Abs. 4 privilegierten Nutzer beziehe, als nur die Betreiber von W-LANs privilegiere (S. 16 des Urteils).

Eine sinnvollere Lösung schlägt indessen Spindler vor (Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl., § 7 Rz. 89 und § 8 Rz. 20): Er plädiert zwar anzuerkennen, dass der bisherigen Störerhaftung durch die Neuregelung der Boden entzogen wurde, dafür aber den Wertungswiderspruch dadurch aufzulösen,  indem man die Möglichkeit der Nutzungssperren nach § 7 Abs. 4 europarechtskonform auch auf andere Access-Provider erstreckt. Wie die oben zitierte Kommentierung von Lewinsky belegt, stünde dies im Einklang mit den Vorgaben des Art. 8 Abs. 3 der RiLi 2001/29/EG und auch mit der Tatsache, dass der Gesetzgeber die Störerhaftung europaweit eben gerade nicht harmonisiert hat.

Fussnoten:

[1] RICHTLINIE 2001/29/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.

[2] Vgl. Walter/v. Lewinsky, European Copyright Law, Art. 8, 11.8.9, S. 1087 mit Verweis auf den Bericht der Kommission v. 30.11.2007 SEC (2007) 1556, S. 9.

[3] Vgl. Walter/v. Lewinsky, European Copyright Law, a.a.O.

[4] Vgl. Walter/v. Lewinsky, European Copyright Law, Art. 8, 11.8.7, S. 1086.

 

 


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