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LG Berlin – Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Rechteinhabers in Filesharing-Fällen

Das Landgericht (LG) Berlin hat kürzlich entschieden (Urt. v. 30.06.2015 – 15 O 558/14), dass lediglich pauschale Ausführungen des Rechteinhabers zur fehlerfreien Ermittlung in Bezug auf die angebotene Datei, die IP-Adresse sowie den Anschlussinhaber in Filesharing-Fällen nicht ausreichend sind.

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein sog. Freifunker, der Dritten seinen Internetanschluss kostenlos zur Verfügung stellt. Im Juni 2013 wurde er von der Beklagten, die die Rechte an einer Fernsehserie innehat, mit der Behauptung abgemahnt, dass die Serie über seinen Internetanschluss auf eine Filesharing-Plattform eingestellt worden sei. In der Abmahnung wurde er zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz und Ersatz von Ermittlungs- und Anwaltskosten aufgefordert. Der Kläger verweigerte dies und forderte im Gegenzug die Beklagte zu der Mitteilung auf, dass sie die geltend gemachten Ansprüche zurückziehe.

Da die Beklagte nicht darauf einging, erhob der Kläger eine negative Feststellungsklage, durch die er gerichtlich festgestellt haben wollte, dass gegenüber ihm keine Ansprüche aus der angeblichen Urheberrechtsverletzung bestehen. Dies begründete er u.a. damit, dass der fragliche Vorgang durch die Rechteinhaberin nicht sicher und richtig ermittelt worden sei.

Die Beklagte legte dar, dass sie die IP-Adresse, den Hashwert, den Dateinamen, die Dateigröße und den verwendeten P2P-Client durch ein eigenständiges Ermittlungsunternehmen hatte beweissicher feststellen lassen. Die dabei verwendete Software arbeite zuverlässig und fehlerfrei, ein Systemadministrator überprüfe die Software zudem regelmäßig. Das Netzwerk werde regelmäßig mit mindestens zwei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Quellen zur Zeitsynchronisation sekundengenau abgeglichen. Die Tauschbörse sei gezielt nach dem zuvor ermittelten und dokumentierten Hashwert durchsucht und ein Teil der angebotenen Datei heruntergeladen worden. Dabei seien IP-Adresse, Hashwert, Datum und Uhrzeit protokolliert worden. Die 1&1 Internet AG als Internetprovider habe schließlich nach gerichtlicher Gestattung die Auskunft, nach der die IP-Adresse zum fraglichen Zeitpunkt dem Kläger zugeordnet gewesen sei, zutreffend erteilt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Berlin hat die Klage als begründet erachtet und die von dem Kläger begehrte Feststellung getroffen, dass der Beklagten keine Ansprüche gegen ihn zustehen.

Die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche setzten zunächst voraus, dass der in Frage stehende urheberrechtlich geschützte Inhalt auch tatsächlich über den Internetschluss des Klägers auf einer Filesharing-Plattform zum Download angeboten worden sei. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liege bei der Rechteinhaberin, was insbesondere die richtige Ermittlung der IP-Adresse und die richtige Zuordnung zu einem Internetanschluss betreffe. Der Vortrag der Rechteinhaberin sei im konkreten Fall jedoch nicht ausreichend gewesen.

So werde nicht dargelegt, um welche Ermittlungssoftware es sich genau handle. Weiterhin seien die Behauptungen zu Zuverlässigkeit und Fehlerfreiheit der Software zu pauschal, es werde nicht ausreichend darauf eingegangen, wie die Feststellungen erfolgt seien, etwa ob ein belastbares Gutachten zur Funktionsweise und Sicherheit existiere und ob dieses Gutachten für die eingesetzte Version der Software und den P2P-Client einschlägig sei. Weiterhin bedürfe es eines Nachweises einer regelmäßigen Kontrolle und Qualitätssicherung der eingesetzten Software. Es werde offengelassen, ob es sich bei dem Systemadministrator um einen externen oder internen Administrator handle, welche Qualifikationen dieser habe und zu welchem Zeitpunkt die letzte Kontrolle stattgefunden habe. Weiterhin bleibe die Arbeitsweise der Software, insbesondere ob sie automatisiert arbeite oder ob und welche manuellen Eingriffe erforderlich seien, im Dunklen. Der Name und die Qualifikation des Mitarbeiters des Ermittlungsunternehmens würden ebenfalls nicht erwähnt. Es sei auch nicht dargetan worden, in welchen konkreten Zeitabständen und anhand welcher Quellen die Zeitsynchronisation gewährleistet werde und was dies zuletzt geschehen sei. Auch werde nicht genannt, welche konkreten Hashwerte als Vorlage festgestellt worden seien.

Die Darlegung hinsichtlich der Zuordnung der IP-Adresse sei ebenfalls unzureichend. Da der gerichtliche Gestattungsbeschluss nur die Deutsche Telekom AG als Access-Provider betreffe, die Auskunft jedoch durch die 1&1 Internet AG als Service-Provider erteilt worden sei, bleibe offen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Auskunftserteilung erfolgt sei.

Bewertung

Die Entscheidung des LG Berlin ist zu begrüßen. Durch sie werden den Rechteinhabern strenge Anforderungen an die Darlegung und ggf. Beweisführung in Hinblick auf die fehlerfreie Ermittlung der angebotenen Datei, der IP-Adresse sowie des Anschlussinhaber auferlegt. Dies ist jedoch auch erforderlich, da es in der Vergangenheit immer wieder unberechtigte Abmahnungen gegeben hat, die auf eine schlampige Ermittlungstätigkeit zurückzuführen waren.

Weiterhin scheint auch das LG Berlin davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen der Internetprovider nicht auch zugleich der Netzbetreiber ist, sondern als sog. Reseller Internetdienstleistungen an Endkunden weiterverkauft, dieser zwingend an dem gerichtlichen Auskunftsverfahren zu beteiligen ist. Dies hatte zuletzt auch das LG Frankenthal entschieden (Urt. v. 11.08.2015 – 6 O 55/15, siehe dazu auch unseren Kommentar).

Die Entscheidung des LG Berlin ist nicht rechtskräftig, beim Kammergericht (KG) wurde dagegen unter dem Aktenzeichen 24 U 117/15 Berufung eingelegt.


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