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Die Entscheidung des LG Hamburg vom 18.11.2016 (Az. 310 O 402/16) mit der eine Haftung gewerblicher Websites für Links auf fremde Seiten begründet wird, hat im Netz zu einem Aufschrei der Empörung geführt (so etwa Golem.de „Angriff auf Verlinkung“). Damit führt die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Sanoma Media (EuGH C 160/15) aus dem September 2016 zu ersten unerfreulichen Ergebnissen, die die Netzwelt noch eine Weile beschäftigen dürften.

Doch worum geht es in der Entscheidung des LG Hamburg und auf welchen Überlegungen beruht sie?

Über folgenden Sachverhalt hatte das Landgericht Hamburg im Einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden:

Ein Fotograf, der Kläger, hatte auf einer dritten Website eine rechtswidrige und ungenehmigte Bearbeitung eines von ihm aufgenommenen Architekturfotos gefunden, die damit auch nach bisherigen Maßstäben klar urheberrechtswidrig war. Bei der Recherche war er dann aber auch noch auf eine weitere Website gestoßen, die auf die Website mit dem rechtswidrigen Foto verlinkte. Der Betreiber der verlinkenden Website wurde von seinen Anwälten abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

Der Linksetzer weigerte sich, den Link zu entfernen und verteidigte sich schriftlich. Er teilte mit, er sehe es nicht als seine Aufgabe an, „beim dortigen Seitenbetreiber nachzufragen, ob er die entsprechenden Rechte zur Veröffentlichung hat oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen. Das sehe ich nicht als meine Aufgabe als Linksetzender an.“ Daraufhin beantragten die Anwälte des Fotografen den Erlaß einer Einstweiligen Verfügung beim Landgericht Hamburg unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Sanoma Media. Sie argumentierten damit, der Linksetzer hätte sich vergewissern müssen, dass auf der Website auf die er verlinkte, keine rechtswidrigen Inhalte zu finden seien, denn er betreibe ja schließlich eine gewerbliche Website.

Eine Haftung für Hyperlinks auf Dritte Websites und dort vorhandene illegale Inhalte war bislang überwiegend mit guten Gründen angelehnt worden. Der BGH hatte mit seiner Paperboy Entscheidung im Jahr 2003 erstmals die Haftung für Hyperlinks verneint. Mit der von unserer Kanzlei erstrittenen Bestwater Entscheidung des EuGH, hat der EuGH diese Grundsätze auch auf das Verlinken per Video Frame etwa auf Youtube Videos ausgedehnt, die nach dieser Entscheidung eben keine öffentliche Wiedergabe darstellen.

Doch jetzt ging es um die Frage, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Linksetzer auf eine Website verlinkt, auf der sich rechtswidrige Inhalte befinden. Ist dann  von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen? Mit der Sanoma Media Entscheidung vom September 2016 hat der EuGH diese Frage leider dann bejaht, wenn die verlinkende Website gewerbliche Zwecke verfolgt und der Linksetzende keine ausreichenden Nachforschungen betreibt.

In zwei Fallkonstellationen sieht der EuGH mit seiner Sanoma Entscheidung eine öffentliche Wiedergabe als gegeben an, so dass der Urheberrechtsinhaber abmahnen kann: Entweder wurde (1) der Websiteinhaber auf die Rechtsverletzung auf der verlinkten Website hingewiesen:

„Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.“ (EuGH C 160/15 Sanoma Media, Rz. 49)

oder (2) – und das stand hier zur Debatte – bei Hyperlinks, die „mit Geweinnzerzielungsabsicht“ gesetzt werden, wenn der Websiteinhaber nicht die „notwendigen Nachprüfungen vornimmt“ um sicherzustellen, dass das Werk auf der verlinkten Website rechtmäßig veröffentlicht wurde. Der EuGH formuliert dazu in Rz. 51 seines Sanoma Urteils:

„Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.“

Schon in unserem Kommentar zum Sanoma Urteil hatten wir auf die denkbaren bedenklichen Folgen hingewiesen, die dieses Urteil auf die Netzfreiheit haben könnte. Mit der jetzt vorliegenden Einstweiligen Verfügung gibt das Landgericht dem Fotografen Recht und setzt die Gründe der Sanoma Entscheidung nun erstmals in die deutsche Rechtswirklichkeit um. Die Befürchtungen erweisen sich also als begründet. Der Antragsgegner kannte die Sanoma Entscheidung des EuGH, er hielt sie für grundgesetzwidrig und mit der EU Grundrechtscharta für unvereinbar. Das Landgericht Hamburg führt dazu aus:

„Die vom Antragsgegner geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit der EuGH-Rechtsprechung mit nationalem und EU-weiten Grundrechten teilt die Kammer nicht, denn in der ausführlichen Begründung des EuGH wird deutlich, dass die von ihm aufgestellten Kriterien gerade einem die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden individuellen Ausgleich zwischen den Eigentumsinteressen des Urhebers einerseits und den Kommunikationsinteressen des Linksetzenden andererseits dienen sollen“ (Beschluss des LG Hamburg vom 18.11.2016)

Die Entscheidung des LG Hamburg ist aber selbst vor dem Hintergrund der Sanoma Entscheidung des EuGH schwer nachvollziehbar, zu begrüßen ist sie gewiss nicht, denn sie könnte mit der sie tragenden Sanoma Entscheidung die Rechtswirklichkeit im Netz stark verändern. Knackpunkt der Entscheidung dürfte die Auslegung des vom EuGH aufgestellten Merkmals der „Gewinnerzielungsabsicht“ bei der Linksetzung sein. Die hängt nach Ansicht des LG Hamburg nicht davon ab, „dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierungen)“, sondern von der Gewerblichkeit der Seite insgesamt. Da der Beklagte auf seiner Seite auch Lehrmaterial vertreib, sah das Landgericht diese Bedingung als erfüllt an.

Es hätte sich aber anbieten können über die Reichweite des entscheidenden Kriteriums der Linksetzung in Gewinnerzielungsabsicht genauer nachzudenken: So wie der EuGH die Formulierung gewählt hat „wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden“ spricht einiges dafür, dass sich die „Gewinnerzielungsabsicht“ auf das konkrete Setzen des betroffenen Links beziehen muss und nicht auf die Gewerblichkeit der gesamten Seite. Dann nämlich wären nur Links von der Prüfpflicht betroffen, die in sich „Gewinnerzielungsabsicht“ tragen, wie etwa bei den zahlreichen (illegalen) Streaming-Portalen, die absichtlich auf illegal hinterlegte Inhalte verlinken, um damit etwa Werbeeinnahmen zu generieren.

Leider hat nach Informationen der klagenden Kanzlei der Antragsgegner im hiesigen Fall „die Segel gestrichen“ und die Einstweilige Verfügung als abschliessende Regelung akzeptiert, so dass keine Überprüfung dieser fragwürdigen Beschlussverfügung etwa durch das Hanseatische OLG möglich ist. Man wird daher auf andere Fälle warten müssen, um diese Frage gerichtlich vertiefen zu können.

Nimmt man die Verfügung aber für bare Münze, dann hat sie erhebliche Auswirkungen. Denn die weit überwiegende Mehrzahl von Websites im Netz sind gewerblich. Darunter dürften wohl auch Websites von Zeitungen und Medien fallen. Alle wären dann künftig gehalten, Links mit größter Vorsicht zu setzen, wo man früher ohne große Bedenken auf fremde Seiten verlinken konnte, ohne rechtliche Risiken einzugehen. Aus unserer Sicht ein bedauerlicher Rückschritt. Selbst die klagende Kanzlei sieht das Urteil kritisch und spricht davon, dass „diese Entwicklung der Rechtsprechung zur Linkhaftung das Internet in seinen Grundfesten erschüttere“.

Auf die künftige Rechtsprechung zu dieser Frage darf man also gespannt sein, das Internet hat nebenbei bemerkt schon viele problematische Urteile unbeschadet überlebt.


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