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Der BGH hat am 21. Juni 2018 einen rechtlich hoch interessanten Fall zum Filesharing  verhandelt (BGH I ZR 64/17 – „Dead Island“), zu dem nun seit dem 26. Juli eine Entscheidung gefällt wurde:

Der Sachverhalt der Entscheidung „Dead Island“:

Die von der Kanzlei rka vertretene Klägerin Koch Media hält die Rechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Dieses Spiel wurde am 6. Januar 2013 über den Internetanschluß des Beklagten in einer Tauschbörse illegal angeboten. Die Kanzlei rka hat den Beklagten hierfür abgemahnt und, ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz aufgefordert.

Soweit entspricht der Fall der Üblichkeit in tausenden von rka Fällen. Der Beklagte allerdings hat weder gezahlt noch eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Kanzlei rka ist nach unserer Kenntnis aktuell eine der wenigen Abmahnkanzleien, die bei Filesharing Abmahnungen nicht nur die Kosten einklagt, sondern immer wieder auch die wirtschaftlich betrachtet wesentlich teurere Klage auf Unterlassung auch gegen Verbraucher wie hier den Beklagten führt.

Doch in diesem Fall haben rka und Koch Media nun eine empfindliche Niederlage erlitten, obwohl sie in den Vorinstanzen erfolgreich waren. Der Fall ist quasi eine ersten „Probe aufs Exempel“, wie effektiv die vom Gesetzgeber letztes Jahr beschlossene Abschaffung der Störerhaftung für W-LAN Betreiber tatsächlich ist.

Denn der Beklagte hat sich damit verteidigt, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk („Tor-Exit-Node“).

Das OLG Düsseldorf als Berufungsgericht hatte noch geurteilt, der Beklagte hafte sowohl dann als Störer, wenn die Rechtsverletzung über einen vom Beklagten betriebenen offenen WLAN-Hotspot begangen worden sei, als auch dann, wenn die Rechtsverletzung über den ebenfalls vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node geschehen sei. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen (OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. März 2017 – 20 U 17/16, GRUR 2017, 811).

Die Entscheidung des BGH „Dead Island“

Mit Urteil vom 26. Juli 2018 hat der BGH nun die Störerhaftung für W-LANs tatsächlich abgeschafft und ist damit dem klaren Willen des Gesetzgebers gefolgt. Bislang liegt nur die Pressemitteilung zur Entscheidung „Dead Island“ vor. Wie schon erwartet unterscheidet der BGH materiellrechtlich zwischen dem Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, der nach alter Rechtslage zu beurteilen war, und dem von Koch Media geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

a. Die Abmahnkosten müssen nach alter Rechtslage bezahlt werden

Die Revision zu den Abmahnkosten wird als unbegründet verworfen, was wenig überrascht, weil die Abmahnkosten nach alter Rechtslage bei ungesicherten W-LANs nach der bislang geltenden Rechtsprechung des BGH „Sommer unseres Lebens“ ja begründet war. Denn nach altem Recht war man verpflichtet, W-LAN Netze zu sichern, sonst haftete man als Störer.

b. Unterlassungsanspruch Revision gewonnen: Keine Störerhaftung mehr

Fast ein wenig überraschend, wenn auch sachlich richtig, ist die Entscheidung des BGH zum Unterlassungsanspruch: Mit „Dead Island“ stirbt die Störerhaftung nun auch höchstrichterlich. Der BGH bestätigt nunmehr den klaren Willen des Gesetzgebers, der ja eben die ungeliebte Störerhaftung mit § 8 Abs. 1 S. 2 TMG n.F. abschaffen wollte.  Die zuvor im Raum stehenden Bedenken gegen eine Unionsrechtswidrigkeit der neuen Vorschrift verwirft der BGH. In der Pressemitteilung heisst es:

„Zwar  sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtlicher Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat die Unterlassungshaftung des Zugangsvermittlers in § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG nF zwar ausgeschlossen, jedoch zugleich in § 7 Abs. 4 TMG nF einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN vorgesehen.“

Will heissen: Den als Kompensation für die Rechteinhaber vom Gesetzgeber vorgesehenen Sperr-Anspruch aus § 7 Abs. 4 TMG ist aus Sicht des BGH ausreichend um die Rechteinhaber zu schützen. Er wird vom BGH aber extrem weit ausgelegt:

„Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen ist nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und kann auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder – im äußersten Fall – zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen.“

In dem Punkt, der Pflicht zur Verschlüsselung des Zugangs stellt sich der BGH allerdings gegen den klaren Willen des Gesetzgebers, der ja dies eben gerade nicht wollte.

Genau diesen Aspekt soll jetzt nach dem Willen des BGH noch einmal das OLG Düsseldorf untersuchen: Es soll prüfen ob und inwieweit Koch  Media gegen den Hotspotbetreiber ein solcher Sperranspruch zusteht. Damit könnte zu der Reichweite dieser bislang etwas unklaren Vorschrift eine spannende Entscheidung des OLG Düsseldorf fallen. Auch auf die schriftlichen Urteilsgründe des BGH darf man gerade bei der Entscheidung „Dead Island“ einmal mehr gespannt sein.

Die mündliche Verhandlung beim BGH:

Der 1. Zivilsenat des BGH hat unter seinem aktuellen Vorsitzenden Koch über den Fall verhandelt. Wie bereits in unserer Prognose vermutet (s.u.) sieht sich der BGH gezwungen auf den Unterlassungsanspruch, der ja hier geltend gemacht wird, das neue TMG, also insbesondere § 8 Abs. 3 TMG anzuwenden. Die Neuregelung der Störerhaftung durch den Gesetzgeber wirbelt die jahrelange Rechtsprechung des BGH zum Filesharing durcheinander, der Senat scheint darüber jedenfalls nicht gerade begeistert zu sein. Zudem wurde die Frage diskutiert, ob § 8 Abs. 3 TMG n.F. noch mit dem Unionsrecht vereinbar sei und ob § 7 Abs- 4 TMG noch eine ausreichende Kompensation für geschädigte Rechteinhaber bietet. Der BGH, eigentlich kein großer Freund von Vorlagen an den EuGH, will jetzt also noch einmal überlegen, ob man die Sache nicht doch vorlegen müsse. Zudem wird der Fall in einem rechtlichen Zusammenhang mir dem McFadden-Fall gesehen, der ja ebenfalls per Revision dem BGH vorliegt. Der Senat wollte seine Entscheidung zunächst am Nachmittag verkünden, hat jetzt aber den VT (Verkündungstermin) auf Ende Juli festgesetzt. Es bleibt also weiterhin spannend.

Unsere Prognose wie der BGH entscheiden könnte:

(Anmerkung: Diese Prognose hatten wir vor der Urteilsverkündung veröffentlicht):

In der Zwischenzeit hat allerdings der Gesetzgeber das Telemediengesetz geändert und wollte damit die Störerhaftung für W-LAN Betreiber abschaffen. Normalerweise haben gesetzliche Regelungen zwar eigentlich keine rückwirkende Kraft. Beim Unterlassungsanspruch besteht aber die Besonderheit, dass die Wiederholungsgefahr auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Das hat etwa auch das OLG München in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung zum Fall McFadden so beurteilt, der ebenfalls gerade dem BGH per Revision zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Nach § 8 Abs. 1 TMG können Diensteanbieter nicht haftbar gemacht werden, wenn Dritte Personen rechtswidrige Handlungen auf ihren Netzen begehen, sie können insbesondere nicht auf Unterlassung verklagt werden. Das gilt nach § 8 Abs. 3 TMG jetzt insbesondere auch für W-LAN Betreiber. Nach § 7 Abs. 4 TMG dürften dann lediglich vom verletzten Rechteinhaber in „zumutbaren Fällen“ Nutzungssperren verlangen. Rka und Koch Media klagen allerdings auf Unterlassung.

Die Klage müsste somit eigentlich als unbegründet abgewiesen werden, soweit sie den Unterlassungsanspruch betrifft. Über das Ergebnis werden wird selbstredend weiter berichten.

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf – Urteil vom 13. Januar 2016 – 12 O 101/15

(OLG Düsseldorf – Urteil vom 16. März 2017 – 20 U 17/16, GRUR 2017, 811)

 


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