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BGH I ZR 143/12 Geburtstagszug

Besserer urheberrechtlicher Schutz von Gebrauchsgraphik im Bereich der angewandten Kunst:

Das OLG München hat mit der Entscheidung v. 16.7.2014, 29 U 4823/13, ZUM-RD 2015, 190 auf die Geburtstagszug Rechtsprechung des BGH reagiert und sieht Logos jetzt als schutzfähig an:

Über den Maßstab des urheberrechtlichen Schutzes von „Gebrauchskunst“, also Gegenständen, die auch neben einem reinen künstlerischen Aspekt auch einem Gebrauchszweck dienen, ist in der Vergangenheit immer wieder heiß diskutiert worden. Während die ständige Rechtsprechung für die Gebrauchskunst früher strengere Anforderungen als für die „reine“ bildende Kunst forderte, wurde dies in der juristischen Literatur vielfach anders gesehen.

Die Gestaltung von Fimen-Logos, Werbegraphik wie etwa Websites, aber eben auch künstlerisch gestalteten Spielwaren sind dem Bereich der „angewandten Kunst“ zuzurechnen, also dem § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Unter der „angewandten Kunst“ werden „Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung“ verstanden (vgl. etwa Loewenheim in Schricker/Löwenheim, UrhG, 4. Aufl. § 2, Rz. 158). Dazu zählen etwa kunstgewerbliche Gegenstände jeglicher Art, Gebrauchsgraphik, Modeschöpfungen u.a.

Hinsichtlich der Schöpfungshöhe, also dem entscheidenden Maßstab, ob ein Erzeugnis urheberrechtlich als persönliche geistige Schöpfung angesehen werden kann oder nicht, gab es nach alter Rechtsprechung des BGH eine Unterscheidung zwischen „reiner“ bildender Kunst und der angewandten Kunst (vgl. etwa Loewenheim in Schricker/Löwenheim, UrhG, 4. Aufl. § 2, Rz. 160, BGH, GRUR 1995, 581 – Silberdistel). Während man im Bereich der reinen Kunst als Schutzuntergrenze die sogenannte „Kleine Münze“ gelten ließ, wurde im Bereich der angewandten Kunst ein deutlich höherer künstlerischer Gehalt gefordert, um den urheberrechtlichen Schutz zu erlangen. Auf Basis dieser alten Rechtsprechung des BGH hat etwa das BVerfG in der Entscheidung „Laufendes Auge“ (1 BvR 157/02, GRUR 2005, 410). Den urheberrechtlichen Schutz eines Logos für ein „laufendes Auge“ abgelehnt, da es an der erforderlichen Schöpfungshöhe fehle. Dabei handelte es sich um ein Signet (oder Logo), das ein menschliches Auge auf zwei Beinen darstellte.

Mit den beiden Entscheidungen „Geburtstagszug“ (BGH I ZR 143/12 v. 13.11.1993, GRUR 2014, 175) und „Seilzirkus“ (BGH I/ZR vom 12. Mai 2011; ZUM 2012, 36), hat sich der BGH aber von der alten Rechtsprechung klar verabschiedet und ein neues besseres Schutzniveau auch für die Gebrauchskunst eingeführt:

„Der Senat hält nicht daran fest, dass der Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst, die einem Geschmacksmusterschutz zugänglich sind, ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung voraussetzt. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen, als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen oder musikalischen Schaffens“ (BGH I ZR 143/12 v. 13.11.1993, GRUR 2014, 175, 177).

Damit gilt die „kleine Münze“ des Urheberrechtsschutzes jetzt auch für die angewandte Kunst, somit auch für Gebrauchsgraphik wie ewta für Logos oder eben Spielwaren. Unter dieser „kleinen Münze“ versteht man „einfache, aber soeben noch geschützte geistige Schöpfungen“. Schricker/Löwenheim zählen hierzu als Beispiele Kataloge, Preislisten, Sammlungen von Kochrezepten auf (Loewenheim in Schricker/Löwenheim, UrhG, 4. Aufl. § 2, Rz. 39). Der BGH formuliert in der Geburtstagszug Entscheidung:

„dass die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen kann, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf künstlerischen Leistungen beruht. Eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers setzt voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und vom Urheber dafür genutzt wird, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen.“ (BGH I ZR 143/12 v. 13.11.1993, GRUR 2014, 175, 179).

„Die Beantwortung der Frage, ob einem Erzeugnis nun wirklich Urheberschutz zukommt und ob es insbesondere einen ausreichenden Grad an eigenschöpferischer Kraft offenbar, ist im Wesentlichen Sache des Tatrichters“, so der BGH weiter (BGH, a.a.O., GRUR 2014, 175, 180).

Ob also der „Geburtstagszug“ tatsächlich schutzfähig ist, wird die Instanz zu entscheiden haben.

Die Rechtsprechung hat auf die Entscheidung des BGH schnell reagiert.

Das OLG München sieht etwa ein Logo, das aus einer Buchstaben und Zahlenfolge im Stile eines Graffitis besteht, jetzt als urheberrechtlich schutzfähig an (OLG München v. 16.7.2014, 29 U 4823/13, ZUM-RD 2015, 190, bestätigt LG München v. 6.11.2013, ZUM RD 2015, 204). Der im Fall zu beurteilenden Gestaltung des Logos mit „verspielt-schwungvoller Ästhetik aus dem Graffiti Bereich könne eine urheberrechtliche Gestaltungshöhe nicht abgesprochen werden. (OLG München, a.a.O.).

Einschränkungen des urheberrechtlichen Schutzes von Gebrauchskunst hatte der BGH allerdings in der der Geburtstagszug vorangegeben Entscheidung Seilzirkus vorgenommen (BGH I ZR 53/10 v. 12. Mai 2011, ZUM 2012, 36): Hier war es um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Kletternetzes gegangen. Da die Form allerdings der technischen Konstruktion des Netzes geschuldet war, hat der BGH dem Design des Netzes keinen eigenständigen urheberrechtlichen Schutz gewährt. Urheberrechtlich geschützt, so der BGH, sei nur eine Gestaltung, die auf einer künstlerischen Leistung beruht, das konnte der Hersteller des Seilzirkus vorliegend nicht nachweisen.


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