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In einem Urheberrechtsstreit über Reproduktionsfotografien von gemeinfreien Gemälden urteilte das LG Berlin zugunsten der Klägerin, die die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Bildaufnahmen innehat (Urteil v. 31.05.2016, Az. 15 O 428/15). Auch Reproduktionsfotografien sind als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG zu qualifizieren und unterfallen damit dem Urheberrechtschutz so das LG Berlin.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt einen Museumskomplex, dessen Tätigkeitszentrum die Museumsarbeit von vier Museen ist. In diesen Reiss-Engelhorn-Museen befinden sich 17 Gemälde von Künstlern, die seit mindestens 70 Jahren tot sind und damit mangels urheberrechtlichen Schutzes gemeinfrei sind. Der von 1991 bis 2013 bei der Klägerin angestellte Museumsfotograf erstellte zum Zwecke eines Ausstellungskatalogs für eines der Museen Fotos in Analogtechnik von sämtlichen streitgegenständlichen Gemälden. Diese Aufnahmen geben die Gemälde ohne weitere Bildbestandteile wie etwa den Rahmen frontal wider. Der Fotograf übertrug der Klägerin an den gefertigten Aufnahmen die unbeschränkten urheberrechtlichen Nutzungsrechte.

Die Beklagte zu 1) betreibt die Online-Enzyklopädie Wikipedia und stellt eine Plattform und Speicherplatz für den Inhalt freiwilliger, ehrenamtlicher Autoren bereit. Die Beklagte zu 2) betreibt eine Website, auf deren Startseite ein Suchformular erscheint, in dem nach Inhalten gesucht werden kann, die die Beklagte zu 1) bereithält. Der Wikipedia-Nutzer P. lud die 17 streitgegenständlichen Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin eigenmächtig auf Wikimedia Commons hoch und machte sie so öffentlich zugänglich und deklarierte sie als gemeinfrei. Außerdem wurden die Fotos in Wikipedia-Beiträge eingebunden, sodass jeder, der einen entsprechenden Artikel aufruft oder über die Website der Beklagten zu 2) danach sucht, automatisch die Bildaufnahmen angezeigt bekam.

Daher nahm die Klägerin den Nutzer P. sowie die Beklagten zu 1) und 2) auf Unterlassung in Anspruch.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Berlin entschied, dass die streitgegenständlichen Aufnahmen als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG zu qualifizieren sind. Es läge eine handwerklich-technische Leistung vor und ein Mindestmaß an persönlicher, geistiger Leistung sei gegeben. Dies gelte auch dann, so das LG Berlin weiter, wenn das abgelichtete Motiv gemeinfrei sei. Aus Sicht des Gerichts besteht kein Grund, den Lichtbildschutz gemäß § 72 Abs. 1 UrhG im Rahmen einer teleologischen Reduktion aus Gründen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und Informationsfreiheit des Einzelnen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG) zu versagen. Für eine einschränkende Auslegung des § 72 Abs. 1 UrhG besteht nach Ansicht des LG Berlin schon deswegen kein Anlass, da der Sozialbindung des Eigentums an einem gemeinfreien Gemälde und der Informationsfreiheit des Einzelnen, gemeinfreie Gemälde auch in Gestalt einer Reproduktionsfotografie außerhalb des Museums betrachten zu können, auch auf anderem Wege ausreichend Geltung verschafft werden kann.

Bewertung der Entscheidung

Unter den Begriff „Lichtbild“ im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG fallen sämtliche Reproduktionen, die ein Mindestmaß an – zwar nicht schöpferischer, aber doch – persönlicher geistiger Leistung aufweisen (BGH, Urteil v. 08.11.1989, I ZR 14/88, „Bibelreproduktion“ – Juris Rdnr. 86 ff.). Daher kommen Fotokopien und Reproduktionen etwa mit einem Scanner grundsätzlich kein Lichtbildschutz gemäß § 72 Abs. 1 UrhG zu. Bei rein mechanischen bzw. technischen Reproduktionen, denen die nötige individuelle Gestaltung fehlt, greift kein urheberrechtlicher Schutz. So etwa auch bei Fotokopien und Reproduktionen, die von der Definition her dem Lichtbildbegriff des § 72 Abs. 1 UrhG eigentlich entsprechen.

 

So gilt seit jeher, dass sich Originaltreue und individuelle Gestaltung gegenseitig ausschließen, da es sonst zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Urheberschutz für hergestellte Vervielfältigungen kommen würde, die keine individuelle Bearbeitungsqualität aufweisen.

Im vom LG Berlin zu beurteilenden Fall ging es jedoch gerade um die Reproduktion von Inhalten, die möglichst originalgetreu abgebildet werden sollten. Gerade solche Gemäldereproduktionen sind umso gelungener, je originalgetreuer sie sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es hier weniger auf die persönliche geistige Leistung des Gemäldefotografen ankommt, sondern vielmehr auf dessen handwerkliche Leistung.

Nicht geschützt von § 72 Abs. 1 UrhG sind nach überwiegender Meinung jedoch reine „Bild vom Bild“-Reproduktionen und einfache Knipsereien.

 


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