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Urteilsübersicht Filesharing – Wichtige Prozesse im Filesharing:

Nach der ersten Phase der aussergerichtlichen Abmahnungen haben manche Büros, wie etwa Waldorf Frommer auch eine wahre Lawine an Prozessen zum Thema Filesharing gegen Verbraucher losgetreten, die das Amtsgericht München als zentrales Prozessgericht von Waldorf jahrelang gebunden haben. In zahllosen auch durch unser Büro verteidigten Prozessen konnten dabei wertvolle Erfahrungen gesammelt werden. Die ersten Filesharing Prozesse haben wir allerdings schon zeitlich zuvor gegen Rasch geführt, der früher gerne am Kölner Gerichtsstand klagte.

Zum Filesharing haben die deutschen Gerichte bis heute eine Vielzahl an Urteilen veröffentlicht, wir wollen Ihnen hier eine kleine Auswahl wichtiger Entscheidungen näher bringen. Zu vielen Fragen gibt es zwischenzeitlich auch Urteile des höchsten deutschen Zivilgerichts, des Bundesgerichtshofs (BGH), so etwa zur Haftung von Eltern für Ihre Kinder („Morpheus“) und für den Betrieb von W-LAN Netzen („Sommer unseres Lebens“), in anderen wichtigen Bereichen stehen aber Entscheidungen des BGH immer noch aus, etwa zur Deckelung der Abmahnkosten (§ 97a Abs. 2 UrhG), zur Höhe des Schadensersatzes, oder auch zu einer einheitlichen Beurteilung der sekundären Darlegungslast. Die Rechtsprechungsübersicht mag Betroffenen und Kollegen als Hilfestellung dienen. Eine schöne Übersicht findet sich auch bei Herrn Steffen Heintsch auf der Abmahnwahn-Dreipage.

Wir freuen uns über Einsendungen aktueller Entscheidungen (bernhard.knies@new-media-law.net).

A. Urteile zum materiellen Recht

I. Höhe der Ersatzforderungen, Anwaltskosten und Schadensersatz

1. Erstattungsfähige Anwaltskosten
a. Deckelung der Anwaltskosten, § 97a Abs. 2 UrhG
– Anwendbar auf Filesharingfälle, AG Frankfurt v. 1.2.2010, 30 C 2353/09-75. Volltext >
Bewertung: Die Entscheidung des AG Frankfurt ist bis heute leider eher eine Ausnahmeentscheidung geblieben.
Bewertung: Die Pressemitteilung liess lange Zeit darauf hoffen, dass auch der BGH die Deckelung der Abmahnkosten bestätigen würde, leider steht bis heute ein Urteil des BGH hierzu aus.
– Nicht anwendbar auf Filesharingfälle, AG München v. 29.11.2012 – 142 C 19273/11. Volltext >
Bewertung: Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des AG München.
b. Höhe der Anwaltskosten

€ 506,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 10.000,00) beim Tausch eines Albums: AG München v. 17.10.2012 – 142 C 10005/12 (nicht rechtskr.) – Volltext >

€ 666,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 20.000,00) bei zwei Hörbüchern, AG München v. 29.11.2012 – 142 C 19273/11.

Bewertung: Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des AG München.

– € 859,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 20.000,00) beim Tausch eines Pornos: AG Hamburg v. 27.3.2013 – 31c C 171/12 (nicht rechtskräftig)

€ 4.813,60 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 250.000,00) beim Tausch von 380 Audiodateien, LG Köln v. 18.7.2007, 28 O 480/06 – Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung dürfte als veraltet bewertet werden. Selbst das LG Köln nimmt heute geringere Gegenstandswerte an.

€ 5.832,40 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 400.000,00) beim Tausch von 964 Mp3; LG Köln v.13.05.2009, 28 O 889/09 (nicht rechtskräftig) – Volltext >

Bewertung: Veraltete Entscheidung, erstritten durch Knies & Albrecht, der Gegenstandswert wurde in der Berufung vom OLG herabgesetzt:

€ 2.380,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 200.000,00), OLG Köln v. 23.12.2009, 6 U 101/09 (GRUR-RR 2010, 173) – Volltext >

Bewertung: Die von uns erstrittene Entscheidung korrigierte die Abmahnkosten immerhin um die Hälfte nach unten. Dennoch blieb der Gegenstandswert für eine Abmahnung gegenüber Privatpersonen unverhältnismäßig hoch.

€ 2.380,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 200.000,00) beim Tausch von 15 Musiktiteln: OLG Köln v. 23.3.2012 – 6 U 67/11 (ZUM 2012, 697)

€ 3.434,00 Anwaltskosten (Gegenstandswert € 400.000) beim Tausch von mind. 430 Titeln: OLG Köln v. 02.08.2013 – 6 U 10/13 – Volltext >

c. Keine Anwaltskosten bei Abgabe einer vorbeugenden Unterlassungserklärung, AG München 161 C 15300/10 – Kommentar >

2. Höhe des Schadensersatzes

a. Musik:

€ 15,00 Schadensersatz beim Tausch eines Musikalbums: LG Hamburg 308 O 710/09 v. 8.10.2010 – Mehr >

Bewertung: Die Entscheidung stellt eine Ausnahmeentscheidung dar, die man leider für die Abgemahnten nicht verallgemeinern kann.

€ 450,00 Schadensersatz beim Tausch eines Musikalbums: AG München v. 17.10.2012 – 142 C 10005/12 (nicht rechtskr.) – Volltext >

– € 3.000,00 Schadensersatz beim Tausch eines Musikalbums: OLG Köln v. 23. März 2012 – 6 U 67/12 (ZUM 2012, 697)

Bewertung: Eine der ersten Entscheidungen, in denen auch Schadensersatz geltend gemacht wurde, der hier in sehr hohem Maße gewährt wurde.

b. Film

c. Hörbücher

– € 900,00 Schadensersatz beim Tausch von zwei Hörbüchern: AG München v. 29.11.2012 – 142 C 19273/1

Bewertung: Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des AG München.

d. Pornos:

– € 400,00 Schadensersatz beim Tausch eines Pornos: AG Hamburg v. 27.3.2013 – 31c C 171/12 (nicht rechtskräftig)

II. Störerhaftung des Anschlussinhabers für Dritte

1. Störerhaftung für offenes oder schlecht gesichertes W-LAN:

Haftung für schlecht gesichertes W-LAN: BGH I ZR 121/08 „Sommer unseres Lebens“ – Kommentar >

2. Familienangehörige

a. Keine Haftung für Kinder, die zuvor belehrt wurden: BGH I ZR 74/12 „Morpheus“ – Kommentar >

Bewertung: Begrüßenswerte Grundsatzentscheidung des BGH, die nach langen Jahren klarstellt, dass Eltern ohne Haftungsprobleme ihren minderjährigen Kindern Zugang zum Internet gewähren dürfen, solange sie die Kinder ordnungsgemäß belehren.

b. Haftung für minderjährige Kinder, wenn diese nicht von den Eltern belehrt und mit wirksamen Mitteln am Filesharing gehindert werden, LG Köln v.13.05.2009, 28 O 889/09 – Volltext >

Bewertung: Veraltete Entscheidung, die durch die BGH Morpheus Rechtsprechung zu Recht aufgehoben wurde.

Bestätigt durch OLG Köln v. 23.12.2009 6 U 101/09 – Volltext >

c. Keine Haftung für erwachsene Kinder, OLG Frankfurt, Beschluss v. 20.12.2007 – 11 W 58/07 – Volltext >

Bewertung: Veraltete Entscheidung, die zunächst eine Mindermeinung darstellte, dann aber letztlich durch BGH Morpheus bestätigt wurde.

d. Haftung für eine internetsüchtige Schwester, AG München v. 29.11.2012 – 142 C 19273/11 – Volltext >

Bestätigt durch Landgericht München I, 21 S 1828/12, Urteil vom 25.7.12 – Kommentar > Volltext >

Bewertung: Das Urteil stellt klar, dass man Erwachsenen das Internet überlassen darf. Dies gilt aber nicht, wenn man zuvor wusste, dass der Erwachsene zu illegalen Downloads neigt.

3. Keine Haftung von Gewerbetreibenden für Mitarbeiter, LG München v. 4.10.2007, MMR 2008, 422 „Radio Energy“ – Volltext >

Bewertung: Bis heute wohl einziges Urteil zu Gewerbetreibenden. Diese müssen nicht befürchten für illegale Downloads ihrer Angestellten haftbar gemacht zu werden.

4. Haftung für Mieter, Nachbarn und WG-Bewohner:

a. Keine Haftung für den Nachbarn, Amtsgericht München vom 14.6.13 – Az. 111 C 25922/12 „Keine Haftung für illegale Downloads von Nachbarn“ Kommentar > Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der älteren Entscheidung des AG München v.15.2.12, danach haften Anschlussinhaber dann nicht, wenn sie Erwachsene als Täter benennen können.

b. Keine Haftung für Mieter bei schriftlicher Vereinbarung über die Internetnutzung, AG München v. 15.2.2012, 142 C 10921/12 – Kommentar > Volltext >

III. Richterliche Bewertung der Ermittlungsunternehmen

B. Urteile zu prozessualen Fragen

I. Örtliche Zuständigkeit / Gerichtsstand

alte Rechtslage vor Einführung des neuen § 104a UrhG:

Fliegender Gerichtsstand bejaht: LG Köln v.13.05.2009, 28 O 889/09 – Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung entspricht der derzeit vorherrschenden Meinung.

Fliegender Gerichtsstand bejaht: AG München v. 09.05.2012 – 158 C 14350/11

Bewertung: Die Entscheidung entspricht der ständigen Rechtsprechung des AG München.

II. Sekundäre Darlegungslast (Beweislast)

Die sekundäre Darlegungslast spielt in Filesharing Klagen immer wieder eine entscheidende Rolle. Sie bestimmt darüber, ob sich der Beklagte nur bei Nennung des Täters exkulpieren kann (sog. Ross und Reiter Theorie“) oder ob es ausreicht, wenn andere Personen benannt werden, die Zugriff auf das Internet hatten.

1. Tatsächliche Vermutung entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die Rechtsverletzung genutzt hat: BGH I ZR 74/12 „Morpheus“ .

Bewertung: In der Morpheus Entscheidung hat der BGH für die Abgemahnten eine Lockerung der sekundären Darlegungslast beschlossen. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis.

2. Keine Verpflichtung des Anschlussinhabers durch eigene Nachforschungen den Täter zu ermitteln. LG München I v. 22.3.2013, 21 S 288809/11 „Rentnerin ohne Computer“ – Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung hob ein stark umstrittenes Urteil des AG München auf. Sie stellt eine wichtige Verbesserung der prozessualen Situation der Abgemahnten dar. Aus § 138 Abs. 1 ZPO ergibt sich nur eine Pflicht des Prozessgegners im Rahmen des Zumutbaren Tatsachen und Umstände vorzutragen. Derm Beklagten obliegt nicht, der Beweis des Gegenteils. Die Revision gegen das Urteil des LG München hat die Klägerin zurückgenommen.

3. Sekundäre Beweislast nicht erfüllt, wenn keine ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes vorgetragen: AG München v. 17.10.2012 – 142 C 10005/12 (nicht rechtskr.) – Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung fällt in die Linie der teils aufgegebenen „Roß und Reiter“ Rechtsprechung des AG München, die Berufung beim LG München ist anhängig.

4. Dem Anschlussinhaber obliegt nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss: OLG Köln v. 16.05.2012 – 6 U 239/11 – Volltext >

Bewertung: Die positiv zu bewertende Entscheidung des OLG Köln wird auch vom LG München (s.o.) zitiert.

5. Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit im Rahmen des Zumutbaren substantiiert bestreiten, sowie Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers ergibt: OLG Köln v. 02.08.2013 – 6 U 10/13 – Volltext >

Bewertung: Die Entscheidung scheint die positive Tendenz der Entscheidung v. 16.05.2012 wieder aufzugeben, wobei allerdings der Sachverhalt anders gelagert ist. Kommentar: Mehr >

6. Amtsgericht Nürnberg vom 05.02.15 weist Filesharing Klage gegen unseren Mandanten von Baumgarten Brandt ab: Sekundäre Darlegungslast auch ohne Täterbenennung erfüllt, Urteil vom 05.02.2015, Az. 27 C 5662/14. Die Rechtsprechung des BGH erfordere nicht, dass der Beklagte einen sicheren Täter an die Klägerin melden muss.

III. Verjährung der Ansprüche

Mit Urteil vom 12. Mai 2016 I ZR 48/15 „Everytime we touch“ hat der BGH klargestellt, dass beim Filesharing jedenfalls der Schadensersatzanspruch nach 30 Jahren verjährt.

Die überwiegende Anzahl der befassten deutschen Amtsgerichte bestätigte bis zur Entscheidung des BGH Everytime we Touch die dreijährige Verjährungsfrist bei Ansprüchen wegen Filesharings (vgl. etwa AG Bochum (Urteil vom 25.02.2015 – Az. 38 C 362/14), AG Köln (Urteil vom 19.02.2015 – Az. 148 C 31/14), AG Nürtingen (Urteil vom 06.02.2015 – Az. 17 C 1378/14), AG Frankenthal (Urteil vom 02.02.2015 – Az. 3b C 169/14), AG Bielefeld (Urteil vom 22.01.2015 – Az. 42 C 230/14), AG Koblenz (Urteil vom 21.01.2015 – Az. 142 C 486/14), AG Frankenthal (Urteil vom 14.01.2015 – Az. 3c C 96/14) (Anlage 1), AG Bielefeld (Urteil vom 08.01.2015 – Az.42 C 481/14), AG Bielefeld (Urteil vom 20.11.2014 – Az. 42 C 483/14), AG Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014 – Az. 42 C 368/13), AG Hannover (Urteil vom 09.01.2015 – Az. 424 C 7759/14), AG Kassel (Urteil vom 24.07.2014 – Az. 410 C 625/14), AG Düsseldorf (Urteil vom 24.07.2014 – Az. 57 C 15659/13), AG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.10.2014 – Az. 32 C 2305/14 (84) AG Hamburg (Urteil vom 07.02.14, Az. 9 C 103/13).

08.10.2015: AG Passau bestätigt dreijährige Verjährungsfrist bei Filesharing Fällen: Mahnbescheid unterbricht Verjährung nur bei korrekter Anspruchsbezeichnung

24.04.2015: Amtsgericht München v. 17.4.15 bestätigt dreijährige Verjährung bei Filesharing Klagen

14.01.2015: AG Frankenthal weist Filesharing Klage gegen einen unserer Mandanten ab: Ansprüche unterliegen der dreijährigen Verjährung. Zweifel an der Funktionsfähigkeit der „Observer“ Software von Guardeley Ltd., Urteil vom 14.01.2015, Az. 3c C 96/14.

IV. Auskunftsanspruch gegen Internetprovider

BGH I ZB 80/11 Beschluss vom 19. April 2012 – Alles kann besser werden. BGH zum Auskunftsanspruch gegen Internet Provider über Nutzer von IP – Adressen.


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